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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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hatte.
    Scully war ein kleiner, vertrockneter Ire mit zittrigen Händen. Er unterhielt sich kurz mit seinem Besucher, wobei er ihn mit seinen Rattenaugen beobachtete und taxierte. Dann gab er ihm ein paar Zeilen an Mr. Harmon mit, einen der Betriebsdirektoren bei Durham:
    »Der Überbringer, Jurgis Rudkus, ist ein spezieller Freund von mir, und aus wichtigem Anlaß liegt mir daran, daß Sie ihm einen guten Posten geben. Er hat sich einmal etwas danebenbenommen, aber Sie haben wohl die Güte, das zu übersehen.«
    Nachdem Mr. Harmon das gelesen hatte, sah er fragend auf. »Was meint er mit ›danebenbenommen‹?«
    »Ich stand auf der schwarzen Liste«, antwortete Jurgis.
    Der Direktor krauste die Stirn. »Schwarze Liste? Was wollen Sie damit sagen?«
    Jurgis wurde vor Verlegenheit rot. Er hatte vergessen, daß es ja gar keine schwarze Liste gab. »Ich ... äh ... ich hatte Schwierigkeiten, eine Stelle zu bekommen«, stotterte er.
    »Und warum?«
    »Ich hatte Streit mit einem Meister – aber nicht meinem eigenen, Sir – und habe ihn geschlagen.«
    »Aha.« Mr. Harmon überlegte kurz. »Was für Arbeit möchten Sie denn?«
    »Ich mache alles, Sir«, sagte Jurgis. »Nur, ich habe mir im Winter den Arm gebrochen und muß noch ein bißchen vorsichtig sein.«
    »Wie wäre es mit Nachtwächter?«
    »Das geht nicht, Sir. Abends muß ich unter die Leute gehen.«
    »Verstehe – die Politik. Nun, würde es Ihnen am Ausschlachtband für Schweine zusagen?«
    »Durchaus, Sir.«
    Mr. Harmon ließ einen Zeitkontrolleur kommen und gab ihm Anweisung: »Bringen Sie diesen Mann zu Pat Murphy und sagen Sie ihm, er soll ihm irgendeinen Platz geben.«
    Und so marschierte Jurgis zu der Schweineschlachthalle, wo er in früheren Tagen um Arbeit gebettelt hatte. Jetzt trat er keck ein und mußte innerlich lächeln wegen des langen Gesichts, das der Bandmeister machte, als der Kontrolleur sagte: »Auf Anordnung von Mr. Harmon sollen Sie diesen Mann unterbringen.« Denn für den Meister bedeutete das, daß sein Band nun überbesetzt sein und das die Rekordleistung vereiteln würde, die er herausholen wollte; aber er sagte nichts weiter als: »Ja, ist gut.«
     
    So wurde Jurgis wieder Arbeiter, und er suchte sofort seine alten Bekannten auf, ging in die Gewerkschaft und begann, für »Scotty« Doyle Stimmung zu machen. Doyle hätte ihm mal sehr geholfen, erklärte er, und wäre überhaupt ein patenter Kerl; da er selbst Arbeiter ist, würde er die Arbeiter wirklich und echt vertreten – warum sollten sie einen jüdischen Millionär wählen, und was, zum Kuckuck noch mal, habe Mike Scully denn schon groß für sie getan, daß sie immer seine Kandidaten unterstützen? Inzwischen hatte Scully Jurgis ein Schreiben an den zuständigen Wahlleiter der Republikaner gegeben, und Jurgis war hingegangen und hatte die Leute kennengelernt, mit denen er zusammenarbeiten sollte. Sie hatten mit dem Geld des Brauereibesitzers bereits einen großen Saal gemietet, und Jurgis führte nun jeden Abend dem »Republikanischen Wählerverein Doyle« ein Dutzend neue Mitglieder zu. Schon bald konnten sie eine pompöse Gründungsfeier aufziehen, mit durch die Straßen marschierender Blaskapelle, mit Feuerwerk, Kanonenschlägen und roten Lampions vor dem Saal. Der Andrang dazu war so gewaltig, daß zwei Wiederholungen nötig wurden – und der blasse und zitternde Kandidat die kleine Rede, die ihm von einem von Scullys Leuten aufgesetzt worden war und die er einen ganzen Monat lang auswendig gelernt hatte, insgesamt dreimal halten mußte. Die Krönung von allem aber war, daß der berühmte und redegewaltige Senator Spareshanks, der Präsidentschaftskandidat, in einem Automobil vorgefahren kam und eine begeisternde Ansprache hielt, in der von den Rechten der amerikanischen Bürger sowie von Schutz und Wohlstand für den amerikanischen Arbeiter die Rede war. Sämtliche Morgenzeitungen brachten lange Zitate daraus, und außerdem schrieben sie, wie aus gutinformierten Kreisen verlautet, bereite die unerwartete Popularität des republikanischen Stadtratskandidaten Doyle Mr. Scully, dem demokratischen Fraktionschef im Rathaus, nicht geringe Sorgen.
    Noch größer wurden diese, als der gewaltige Fackelzug stattfand, bei dem die Mitglieder des »Republikanischen Wählervereins Doyle« alle rote Mützen und Hüte trugen und es für jeden Wahlberechtigten Freibier gab – das beste jemals bei einer Wahlkampagne ausgeschenkte Bier, wie alle bezeugten. Während dieses Umzugs und

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