Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
Vom Netzwerk:
essen und ein Platz zum Schlafen, oder?«
    »Ja, schon», sagte er, »aber ich möchte nicht so einfach hingehen, nachdem ich sie im Stich gelassen habe. Und solange ich kein Geld verdiene und du für sie ...«
    »Nun hör aber auf!« Marija gab ihm einen Knuff. »Was redest du denn da!« Und als sie ihn hinunter zur Tür begleitete, sagte sie: »Geld gebe ich dir deshalb nicht, weil du es doch nur vertrinken und dir damit schaden würdest. Hier hast du einen Vierteldollar, und nun geh. Sie werden so froh sein, dich wiederzuhaben, daß sie dir gar keine Zeit lassen, dich zu schämen. Auf Wiedersehn!«
     
    Jurgis ging hinaus und lief erst einmal langsam die Straße hinunter, um nachzudenken. Er entschied sich, doch noch vorher nach Arbeit zu suchen, und so verbrachte er den Rest des Tages damit, erfolglos Fabriken und Lagerhäuser abzuklappern. Als es dann schon fast dunkel war, beschloß er, doch lieber zu Elzbieta zu gehen, und machte sich auf den Weg. Aber als er an einem Restaurant vorbeikam, ging er hinein und gab seinen Vierteldollar für ein Essen aus; als er wieder hinaustrat, hatte er es sich inzwischen anders überlegt: Der Abend war lind – da konnte er im Freien schlafen und den morgigen Tag auch noch zur Arbeitssuche verwenden. So lief er weiter, und als er sich zufällig ein wenig umsah, bemerkte er, daß er in derselben Straße war und an demselben Saal vorbeikam, wo er gestern abend die politische Rede gehört hatte. Heute brannten zwar weder rote Lichter, noch spielte eine Kapelle, aber ein Plakat kündigte eine Versammlung an, und durch den Eingang strömten bereits Leute. Blitzschnell entschloß sich Jurgis, es noch einmal zu wagen, sich hineinzusetzen und auszuruhen; vielleicht kam er dabei zu einer Entscheidung. Niemand fragte nach Eintrittskarten, also kostete es auch diesmal nichts.
    Er ging hinein. Heute gab es keine Ausschmückung mit Fahnen, dafür aber wimmelte es auf dem Podium von Menschen und im Saal waren fast alle Stühle besetzt. Jurgis suchte sich einen Platz weit hinten und vergaß auf der Stelle alles rings um sich her. Würde Elzbieta wohl denken, er komme, um ihr auf der Tasche zu liegen, oder würde sie ihm Glauben schenken, daß er wieder arbeiten und seinen Teil beisteuern wolle? Würde sie nett zu ihm sein oder ihm die Leviten verlesen? Wenn er doch bloß irgendeine Arbeit fände, bevor er hinging – wenn doch der Aufseher neulich es nur richtig mit ihm versucht hätte ...
    Plötzlich schaute Jurgis auf. Gewaltiges Gebrüll war aus den Kehlen der Menge losgebrochen, die inzwischen den Saal bis zu den Türen füllte. Männer und Frauen sprangen auf, schwenkten Tücher, riefen und schrien. Offenbar war der Redner erschienen, dachte Jurgis; wie lächerlich sie sich doch aufführten! Was versprachen sie sich denn eigentlich davon – was hatten sie schon für Einfluß auf die Wahlen und darauf, wie das Land regiert wurde? Jurgis hatte ja hinter die Kulissen der Politik geschaut.
    Er kehrte zu seinen Gedanken zurück, wobei er jetzt aber einen weiteren Umstand berücksichtigen mußte, nämlich daß er hier nicht so bald herauskommen würde. Der Saal war gerammelt voll, und nach der Versammlung wäre es zu spät, um noch zu Elzbieta zu können; also würde er mit einem Nachtlager im Freien vorlieb nehmen müssen. Vielleicht war es sowieso günstiger, am Vomittag zu ihr zu gehen, wenn die Kinder in der Schule waren und er sich mit ihr in Ruhe aussprechen konnte. Sie war immer verständig gewesen, und er meinte es ja wirklich ehrlich. Es würde ihm schon gelingen, sie davon zu überzeugen – außerdem war Marija einverstanden, und Marija schaffte ihren Lebensunterhalt an. Sollte Elzbieta etwa unangenehm werden, würde er ihr das unter die Nase reiben.
    So grübelte Jurgis weiter vor sich hin, bis sich schließlich, als er schon ein, zwei Stunden im Saal saß, die Katastrophe von gestern abend zu wiederholen drohte. Die ganze Zeit über wurden Reden gehalten, und die Zuschauer klatschten und rasten vor Begeisterung. Allmählich vermischten sich die Laute in Jurgis’ Ohren zu einem Dröhnen, liefen seine Gedanken durcheinander und begann sein Kopf zu schwanken und vornüber zu kippen. Wie gewöhnlich riß er sich ein ums andere Mal zusammen und gab sich verzweifelte Mühe, aber in dem Saal war es warm und stickig, der lange Fußmarsch und das Essen – am Ende sank ihm doch der Kopf nach unten, und Jurgis schlief wieder mal ein.
    Und abermals stieß ihn jemand an, so daß er mit

Weitere Kostenlose Bücher