Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
Vom Netzwerk:
nicht gesagt, und erst als er herauskam, um jemand anders einzustellen, stieß er auf Jurgis. Er schimpfte ihn gehörig aus, doch da Jurgis kein Wort verstand, widersprach er nicht, und folgte dann dem Meister. Der zeigte ihm, wo er seine Sachen hinhängen konnte, wartete, bis Jurgis sich sein in einem Altkleiderladen gekauftes und in einem Bündel mitgebrachtes Arbeitszeug angezogen hatte, und führte ihn schließlich zu den Schlachtbändern. Die Arbeit, die Jurgis hier tun sollte, war sehr simpel und in ein paar Minuten zu lernen: Mit einem steifen Besen, wie ihn die Straßenkehrer haben, mußte er die Reihe entlang dem Mann, der aus den Körpern die Gedärme herausriß, nachgehen und diese dampfende Masse in ein Bodenloch kehren und dessen Klappe wieder schließen, damit niemand hineinfiel. Als Jurgis kam, trafen gerade die ersten Rinder des Morgens ein, und da ging es sofort mit der Arbeit los, so daß ihm keine Zeit blieb, sich groß umzuschauen oder mit jemandem ein Gespräch anzufangen. Es war ein drückend schwüler Julitag, und auf dem Fußboden staute sich warmes Blut – man watete förmlich darin. Der Gestank war schier unerträglich, aber Jurgis störte das nicht. Sein Herz hüpfte vor Freude: Endlich arbeitete er! Arbeitete und verdiente Geld! Den ganzen Tag rechnete er vor sich hin. Man zahlte ihm märchenhafte siebzehneinhalb Cent die Stunde, und da heute besonders viel zu tun war und bis fast sieben Uhr gearbeitet wurde, konnte er mit der frohen Botschaft heimgehen, daß er an einem einzigen Tag über anderthalb Dollar verdient habe!
    Zu Hause erwarteten ihn weitere gute Nachrichten, so daß es in Anieles Schlafdiele eine stürmische Freudenfeier gab.
     
    Jonas war mit Szedvilas bei dem Werkpolizisten gewesen und von dem zu mehreren Aufsehern gebracht worden, mit dem Ergebnis, daß einer ihm für Anfang nächster Woche Arbeit versprochen hatte. Und Marija Berczynskas war, angespornt durch den Erfolg von Jurgis, auf eigene Faust auf Stellensuche gegangen. Alles, was sie dazu mitnehmen konnte, waren ihre kräftigen Arme und das eingeübte Wort »Arbeit«. Damit zog sie den ganzen Tag durch Packingtown und ging zu allen Türen hinein, wo es nach regem Betrieb aussah. Zu einigen wurde sie unter Flüchen wieder hinausgewiesen, aber Marija fürchtete weder Tod noch Teufel und fragte jeden, den sie sah, bloße Besucher ebenso wie Arbeiter und ein paarmal sogar höhere und hochnäsige Angestellte, die sie daraufhin anstarrten, als sei sie nicht bei Trost. Zu guter Letzt zahlte sich ihre Beharrlichkeit jedoch aus. In einer der kleineren Fabriken geriet sie in einen Saal, wo an langen Tischen Dutzende von Frauen und Männern saßen und Rauchfleisch einbüchsten. Durch die anschließenden Räume weiterwandernd, gelangte sie schließlich dahin, wo die verschlossenen Konservenbüchsen lackiert und etikettiert wurden, und hier hatte sie das Glück, an die Aufseherin zu kommen. Marija verstand damals noch nicht, was ihr erst später aufgehen sollte, nämlich was Aufseherinnen an der Kombination grenzenlos gutmütiges Gesicht plus Muskeln wie ein Brauerpferd schätzen. Jedenfalls sagte ihr diese Frau, sie möge morgen wiederkommen, dann werde sie ihr vielleicht die Chance geben, sich als Lackiererin anlernen zu lassen. Da Büchsenlackieren spezialisierte Stückarbeit war und bis zu zwei Dollar am Tag erbrachte, platzte Marija daheim mit Indianergeheul herein und vollführte solche Freudensprünge, daß das kleinste Kind vor Schreck beinahe Schreikrämpfe kriegte.
    Größeres Glück hätten sie kaum erhoffen können; jetzt brauchte nur noch einer von ihnen Arbeit. Jurgis wollte unbedingt, daß Teta Elzbieta daheimbleibe, um den Haushalt zu führen, und daß Ona ihr dabei helfe. Ona arbeiten schicken – nein, so ein Mann sei er nicht, erklärte er, und Ona wäre auch nicht die Frau dafür. Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn ein Mann wie er die Familie nicht ernähren kann, zumal Jonas und Marija ja Kostgeld abgeben werden. Er mochte auch nichts davon hören, die Kinder in eine Fabrik gehen zu lassen – hier in Amerika solle es Schulen geben, deren Besuch unentgeltlich ist. Daß der Priester gegen diese Schulen war, davon hatte er noch keine Ahnung, und er fand, Teta Elzbietas Kinder sollten dieselben Chancen haben wie die anderer Leute. Das älteste von ihnen, der kleine Stanislovas, war erst dreizehn und obendrein schmächtig für sein Alter. Mochte auch der älteste Sohn von Szedvilas sogar erst zwölf

Weitere Kostenlose Bücher