Der Dschungel
wieder jemandem. Die anderthalb Meilen stellten sich als reichlich lang heraus, doch sie legten sie unverdrossen zurück. Nach einer guten halben Stunde erschien der Makler, ein elegant gekleideter Herr von gewandtem Auftreten und routinierter Konzilianz; daß er fließend Litauisch sprach, gereichte ihm beim Verhandeln mit ihnen sehr zum Vorteil. Er führte sie zu dem Haus, das in einer langen Reihe typischer Holzbauten dieser Gegend stand, in der Baustil als überflüssiger Luxus erachtet wird. Ona sank das Herz, denn das Haus sah nicht aus wie das auf dem Bild; schon mal die Farben waren anders, und außerdem wirkte es wesentlich kleiner. Immerhin aber hatte es einen frischen Anstrich und machte einen ansehnlichen Eindruck. Alles sei nagelneu, sagte der Makler, und er redete in einem fort, so daß sie ganz verwirrt wurden und kaum Zeit fanden, Fragen zu stellen. Sie hatten sich nach so vielen Einzelheiten erkundigen wollen, doch jetzt waren die ihnen entweder entfallen, oder sie trauten sich nicht, damit anzukommen. Die anderen Häuser in der Reihe schienen nicht neu und größtenteils auch unbewohnt zu sein. Als sie darauf anzuspielen wagten, erwiderte der Makler, die Käufer würden in Kürze einziehen. In dieser Sache weiterzubohren hätte so aufgefaßt werden können, als zweifelten sie an seinen Worten, und keiner von ihnen hatte jemals im Leben mit jemandem höheren Standes anders als ehrerbietig und demütig gesprochen.
Das »Souterrain« stellte sich als der Keller heraus. Er lag nur wenig mehr als einen halben Meter unter der Straße, so daß das einzige richtige Geschoß ein über eine Vortreppe zu erreichendes Hochparterre war. Über diesem befand sich eine durch die Dachschräge gebildete Mansarde mit an beiden Giebelseiten einem Fensterchen. Die Straße vor dem Haus war weder gepflastert noch beleuchtet, und das Visavis bildeten ein paar vereinzelte Häuser gleicher Bauweise auf mit braunem, staubverkrustetem Unkraut bestandenen Parzellen. Innen gab es drei Zimmer und eine Küche, alle weißgekalkt. Der Keller war dagegen ganz roh belassen, hatte unverputzte Wände und keinen Fußboden. Der Makler erklärte, die Häuser würden deshalb so gebaut, weil die Käufer es im allgemeinen vorziehen, das Souterrain nach eigenem Geschmack fertigzustellen. Das Dachgeschoß war ebenfalls nicht ausgebaut – die Familie hatte sich vorgestellt, die Mansarde notfalls vermieten zu können, mußte nun aber sehen, daß es nicht einmal Bodendielen gab, nur Balken mit dazwischen dem Putzträger der darunterliegenden Decke. Doch dämpfte all das ihre Begeisterung nicht in dem Maße, wie man annehmen möchte, und das war der Beredsamkeit des Maklers zuzuschreiben; immer wieder führte er neue Vorzüge des Hauses an, gönnte seiner Zunge keine Sekunde Pause. Er zeigte ihnen alles bis hin zu den Türschlössern und den Fensterhaken samt ihrer Bedienung. Nachdem sie in der Küche gar ein Leitungsbecken mit fließendem Wasser sahen – etwas, das zu haben Teta Elzbieta nicht in ihren kühnsten Träumen erhofft hätte –, erschien es ihnen geradezu undankbar, irgendworan Aussetzungen zu machen, und so suchten sie vor anderen Mängeln die Augen zu verschließen.
Dennoch, sie waren Bauern, gehörten zu jenem Schlag, der sich nicht leicht von seinem Geld trennt, und alles Drängen des Maklers auf schnellen Entschluß blieb verlorene Mühe. Sie würden es sich überlegen, erklärten sie ihm, so etwas brauche Zeit. Also gingen sie wieder heim, und dann wurde den ganzen Tag bis fast in die Nacht hinein gerechnet und beraten. In einer solchen Sache eine Entscheidung zu fällen war für sie eine Qual. Nie konnten sich alle einig werden, denn es gab ja so vieles dafür und dagegen; hatte der eine eigensinnig auf seinem Standpunkt beharrt und war er endlich von den anderen überzeugt worden, stellte sich heraus, daß seine Argumente inzwischen einen anderen wankend gemacht hatten. Am Abend, als sie einmal gerade alle einer Meinung waren und das Haus schon so gut wie gekauft hatten, schaute Jokubas Szedvilas herein und machte sie wieder irre. Er erzählte ihnen haarsträubende Geschichten von Leuten, die dieser »Eigenheim«-Schwindel ins Grab gebracht hatte. So gut wie sicher gerieten sie mal mit den Raten in Schwierigkeiten, sagte er, und dann sei all ihr angezahltes Geld futsch. Und die nicht voraussehbaren Kosten für Reparaturen, Instandsetzungen und so weiter würden nie ein Ende nehmen; das Haus könne sich als reine Bruchbude
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