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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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Leuten zusammen, die dieses ganze Geheimnis erklären konnten. Sie sagten ihm, Amerika unterscheide sich von Rußland dadurch, daß es eine demokratische Regierungsform hat. Die Amtsinhaber, die hier regieren und alles absahnen, müßten immer erst gewählt werden; aus diesem Grund gebe es zwei rivalisierende Gruppen, genannt politische Parteien, und an die Macht komme jene, die die meisten Stimmen kauft. Hin und wieder stehe der Wahlausgang auf des Messers Schneide, und da spielen dann die Armen das Zünglein an der Waage. In Packingtown komme das nur bei Präsidenten- und Gouverneurswahlen vor, denn bei den Kommunalwahlen würde immer die Demokratische Partei gewinnen. Herrscher hier im Stadtbezirk sei deshalb der Boss der Demokraten, ein kleiner Ire namens Mike Scully. Der habe ein wichtiges Parteiamt in Bundesstaat inne und solle sogar den Bürgermeister von Chicago nach seiner Pfeife tanzen lassen; er brüste sich, die Yards in der Tasche zu haben. Er sei ungeheuer reich – mische bei allen fetten Geschäften und Schiebungen hier mit. Die Müllkippe zum Beispiel, so erfuhr Jurgis, die er und Ona sich an ihrem ersten Tag in der Stadt angesehen hatten, die gehörte Scully. Und ebenso die Ziegelei dahinter; erst holte er den Lehm heraus und machte davon Ziegel, dann ließ er sich von der Stadt Müll anfahren und das Loch wieder füllen, damit er darauf Häuser bauen und sie verkaufen konnte. Außerdem verkaufte er die Ziegel zu seinen Preisen an die Stadt, und sie wurden mit städtischen Wagen abgeholt. Die andere Grube, die mit dem fauligen Wasser, gehörte gleichfalls Scully; er war es, der das Eis schneiden ließ und verkaufte. Obendrein hatte er, wie gemunkelt wurde, für das Wasser keine Gebühren zu zahlen brauchen und das Lagerhaus für das Eis aus Holz von der Stadt gebaut, das ihm umsonst überlassen worden war. Die Zeitungen hatten davon Wind gekriegt, und es war zu einem Skandal gekommen. Aber Scully kaufte sich einen Sündenbock, der ein Geständnis ablegte, in dem er alle Schuld auf sich nahm, und dann außer Landes ging. Es hieß auch, Scully habe den Brennofen seiner Ziegelei auf dieselbe Weise gebaut, nämlich mit auf der Lohnliste der Stadt stehenden Arbeitern. Doch mußte man schon sehr bohren, um solche Dinge aus den Männern herauszuholen. Es gehe sie schließlich nichts an, sagten sie, und es sei von Vorteil, sich mit Scully gutzustellen. Ein Zettel mit seiner Unterschrift garantiere jederzeit einen Arbeitsplatz in den Fleischfabriken, und außerdem gebe er selbst einer Menge Leute Beschäftigung und Brot; die lasse er nur acht Stunden arbeiten und zahle ihnen Spitzenlöhne. Das verschaffe ihm viele Freunde – die er alle in der »War Whoop League« organisiert hat, deren Vereinshaus man gleich draußen vor den Yards sehen kann. Es sei das größte in ganz Chicago – auch der größte Verein –, und von Zeit zu Zeit gebe es dort Preisboxen und Preisringen, ja es würden sogar Hahnen- und Hundekämpfe veranstaltet. Die Polizisten des Bezirks gehören alle der League an, und statt diese verbotenen Kämpfe zu verhindern, verkaufen sie Eintrittskarten dafür. Der Mann, der ihn, Jurgis, zur Einbürgerung gebracht hat, sei auch einer von diesen »Indianern«, wie sie genannt werden – »war whoop« heiße soviel nämlich wie »Indianergeheul« und am Wahltag wären die zu Hunderten unterwegs, alle mit dicken Bündeln Geld in den Taschen, und in sämtlichen Kneipen von Packingtown gebe es freie Getränke. Das sei eine weitere Sache: Die Wirte müssen alle »Indianer« sein und bei solchen Gelegenheiten auffahren, ob sie wollen oder nicht, sonst werde ihnen beim Alkoholausschank am Sonntag oder beim Dulden von Glücksspielen so übergenau auf die Finger gesehen, daß sie ihr Lokal gleich zumachen können. Auf dieselbe Weise habe Scully die Hand auf allen Posten bei der Feuerwehr und den übrigen städtischen Pfründen im Yard-Bezirk. Er errichte irgendwo oben an der Ashland-Avenue einen Wohnblock, und der Mann, der den Bau für ihn beaufsichtigt, erhalte vom Magistrat Bezüge als städtischer Inspektor für Kanalisation. Der Stadtinspektor für Wasserversorgung wär schon über ein Jahr tot und unter der Erde, aber noch immer beziehe irgend jemand sein Gehalt. Der Stadtinspektor für Bürgersteige sei Büfettier im »War Whoop Cafe« – und könne es für jeden Ladenbesitzer, der nicht für Mike Scully ist, ganz schön ungemütlich machen.
    Es heiße, selbst die Fabrikanten fürchten ihn, sagten

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