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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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Durchführungsbestimmungen zur Schlachttier- und Fleischbeschau, Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten von Amerika, Amt für tierverarbeitende Gewerbe, Vorschrift Nr. 125:
    § 1. Besitzer von Schlachthäusern und Unternehmen der fleischverarbeitenden Industrie, die mit dem Schlachten von Rindern, Schafen oder Schweinen bzw. mit der Verarbeitung von aus selbigen gewonnenen Produkten befaßt sind, haben, sofern selbige zum Vertrieb nach anderen Bundesstaaten oder ins Ausland bestimmt sind, obengenannte Tiere und Produkte dem Landwirtschaftsministerium zu amtlicher Beschau zu melden ...
    § 15. Solcherart beanstandete resp. für untauglich erklärte Tiere sind von den Besitzern unverzüglich aus den Ställen, in welchen sich durch Beschau als krankheitsfrei und für den Verzehr durch Menschen geeignet erwiesene Tiere befinden, zu entfernen und gemäß den jeweiligen Gesetzen, Verfügungen und Bestimmungen des Bundesstaates und der Gemeinde, worin sie festgestellt werden, zu beseitigen ...
    § 25. Eine mikroskopische Untersuchung auf Trichinen ist erforderlich bei sämtlichen Schweineprodukten, die zum Export nach Ländern bestimmt sind, wo eine solche Untersuchung vorgeschrieben ist. Bei für den Binnenhandel geschlachteten Schweinen braucht keine Prüfung auf Trichinen vorgenommen zu werden.
     
    Jurgis erfuhr von diesen Dingen nach und nach durch die Andeutungen von Leuten, die dabei mitmachen mußten. Es war schon fast so, daß man jedesmal, wenn man jemanden aus einer anderen Abteilung kennenlernte, auch von neuen Betrügereien und Verbrechen erfuhr. Da war zum Beispiel ein litauischer Rinderschlächter aus der Fabrik, wo Marija gearbeitet hatte und wo nur Vieh für Konserven geschlachtet wurde. Was dieser Mann über die dort ankommenden Tiere zu berichten wußte, wäre für einen Dante oder einen Zola hörenswert gewesen: Die Fabrik habe offenbar im ganzen Lande Agenten, die altes und verkrüppeltes Vieh für die Verarbeitung zu Büchsenfleisch auftreiben. Da würden Rinder angeliefert, die infolge einseitiger Fütterung mit Schlempe, dem Abfallprodukt der Schnapsbrennereien, über und über mit Geschwüren bedeckt sind, und diese Tiere zu schlachten, sei eine eklige Arbeit, denn stößt man das Messer in sie hinein, platzen die Eiterbeulen auf und spritzt einem ihr stinkender Inhalt ins Gesicht; und wenn man Hände und Arme bis zu den Ellbogen voller Blut hat, wie solle man sich da das Gesicht säubern oder die Augen auswischen, um sehen zu können? Aus solchem Fleisch hätten auch die »Ochsenmumien in Dosen« bestanden, denen im Spanisch-Amerikanischen Krieg dreimal so viele Soldaten der Vereinigten Staaten zum Opfer gefallen waren als den Kugeln des Feindes; nur daß es sich bei dem Fleisch für die Armee nicht um frische Konserven gehandelt habe, sondern um alte Ware, die schon jahrelang in den Kellern gelagert hatte.
    Eines Sonntagabends saß Jurgis am Küchenherd, rauchte sein Pfeifchen und unterhielt sich mit einem älteren Mann, den Jonas mitgebracht hatte und der bei Durham in der Konservenabteilung arbeitete. Von ihm erfuhr Jurgis einiges über die erstklassigen, einzigartigen und zur nationalen Institution gewordenen Durham-Konserven. Bei Durham seien die reinsten Alchimisten am Werk; man mache Reklame für ein Pilz-Ketchup, und dabei hätten die Leute, die es herstellen, noch nie einen Pilz gesehen. Man preise ein »Hühnerragout« an – und das sei wie die aus den Witzblättern her bekannte Hühnersuppe im Wirtshaus, durch die ein Huhn in Gummigaloschen hindurchgelaufen war. Wer weiß, meinte der Freund von Jonas, vielleicht habe man ein Geheimverfahren, Hühner chemisch herzustellen; was in das Ragout hineinkommt, sei jedenfalls nichts anderes als Kaldaunen, Schweinefett, Unschlitt, Rinderherzen und schließlich noch, wenn gerade angefallen, Kalbfleischreste. Dieses Mixtur werde in verschiedenen Qualitäts- und Preisklassen angeboten, der Inhalt aller Büchsen aber komme aus ein und demselben Pott. Es gebe auch noch »Wildragout» und »Wachtelragout«, ja sogar »Schinkenragout«, außerdem eine »Schinkenpaste«-von den Arbeitern »Stinkepaste« genannt. Die bestehe aus Abfällen von geräuchertem Rindfleisch, die zu klein sind, um von den Maschinen noch aufgeschnitten werden zu können, aus Gekröse, das chemisch gefärbt ist, damit es nicht weiß durchschimmert, aus Resten von Schinken und Corned Beef, aus Kartoffeln, mit Schale und allem, und schließlich aus knorpeligen

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