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Der Dschungel

Der Dschungel

Titel: Der Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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Rindergurgeln. Diese einfallsreiche Mischung werde durch den Wolf gedreht und dann stark gewürzt, damit sie nach etwas schmeckt. Zu Zeiten des alten Durham habe jeder, der eine neue Fälschung ausknobelte, von ihm ein Vermögen bekommen können, sagte Jurgis’ Gewährsmann, jetzt aber sei es schwer, sich noch etwas Neues auszudenken, hier, wo schon so viele schlaue Köpfe so lange am Werk sind, wo die Leute sich freuen, wenn ihre Mastrinder Tuberkulose bekommen, weil sie dann schneller fett werden, und wo man in den Lebensmittelgeschäften des ganzen Landes alle liegengebliebene und ranzig gewordene Butter aufkauft, sie mittels eines Druckluftverfahrens »oxydiert«, um ihr den Geruch zu nehmen, sie dann mit abgerahmter Milch neu buttert und schließlich abgepackt in den Großstädten verkauft! Bis vor ein, zwei Jahren seien in den Yards noch Pferde geschlachtet worden, angeblich zur Herstellung von Dünger, aber nach langer Agitation habe die Presse der Öffentlichkeit klarmachen können, daß die Pferde in die Fleischkonserven wanderten. Jetzt sei es gesetzlich verboten, in Packingtown Pferde zu schlachten, und das werde auch tatsächlich befolgt, jedenfalls zur Zeit. Dafür aber könne man jeden Tag spitzhörnige und zottelhaarige Tiere zwischen den Schafen herumlaufen sehen – doch was für ein mühevolles Unterfangen wäre es, die Bevölkerung davon zu überzeugen, daß ein gut Teil von dem, was sie als Lamm- und Hammelfleisch kauft, in Wirklichkeit von Ziegen stammt!
    Man hätte in Packingtown noch eine andere aufschlußreiche Statistik aufstellen können, nämlich über die diversen Berufskrankheiten der Arbeiter. Damals bei seiner Besichtigung der Fleischfabriken mit Szedvilas hatte Jurgis bewundernd den Schilderungen gelauscht, was aus den geschlachteten Tieren alles hergestellt werde und wie viele Zweigindustrien es noch gebe, jetzt aber entdeckte er, daß jede dieser Zweigindustrien eine kleine Hölle für sich war, auf ihre Weise genauso schlimm wie die Schlachthallen, ihre gemeinsame Quelle und Grundlage. In jeder hatten die Arbeiter ihre spezifischen Leiden. Der sich hier umschauende Besucher konnte vielleicht all diese Betrügereien anzweifeln, nicht aber diese Gebrechen, denn den Beweis trugen die Arbeiter ja am Körper – meist brauchte man sich nur ihre Hände anzusehen.
    Zum Beispiel die Männer in den Pökelräumen, wo sich der alte Antanas den Tod geholt hatte – fast alle waren schrecklich gezeichnet. Wer sich hier beim Karrenschieben auch nur eine Schramme am Finger holte, zog sich damit leicht eine Entzündung zu, die ihn das Leben kostete: Glied für Glied konnten ihm die Finger von der Säure zerfressen werden. Unter den Schlächtern und Schlachtgehilfen, den Ausbeinern, Ausputzern und allen, die mit dem Messer arbeiteten, fand man kaum einen, der seinen Daumen noch voll gebrauchen konnte; immer wieder waren sie mit der Maus auf die Schneide gerutscht, bis sie nur noch eine bloße Masse Fleisch bildete, gegen die sie nun das Messer preßten, um es überhaupt halten zu können. Die Hände dieser Leute waren kreuz und quer von Schnittnarben durchzogen, die sich nicht mehr zählen oder auseinanderhalten ließen. Fingernägel hatten sie keine mehr, denn die wetzten sich beim Häuteabziehen völlig ab; ihre Fingergelenke waren so geschwollen, daß sich ihre Hände wie Fächer spreizten. Dann die Männer, die in den Kochereien arbeiteten, bei künstlichem Licht und inmitten von Wrasen und ekelerregendem Gestank; hier konnten sich die Tuberkelbazillen zwar zwei Jahre halten, doch kam stündlich neuer Nachschub hinzu. Dann die Fleischträger, die zwei Zentner schwere Rinderviertel in die Kühlwaggons schleppten – eine mörderische Schufterei, von vier Uhr früh an, die selbst den stärksten Mann in ein paar Jahren fertigmachte. Dann die Leute in den Kühlhallen; ihr typisches Leiden war Rheuma, und fünf Jahre galten als längste Zeit, die dort durchzuhalten war. Dann die Wollrupfer; ihnen gingen die Hände noch schneller kaputt als den Pöklern, denn die Schafsfelle mußten mit Säure gebeizt werden, um die Wolle aufzulockern, und die Rupfer hatten diese mit bloßen Händen rauszuziehen, bis die Säure ihnen die Finger zerfraß. Dann die Arbeiter, die die Büchsen für die Fleischkonserven herstellten; auch ihre Hände waren ein einziges Labyrinth von Schnittnarben, und jeder einzelne Schnitt bedeutete das Risiko einer Blutvergiftung. Manche standen an Stanzmaschinen, und nur selten hielt

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