Der Dude und sein Zen Meister: Das Leben, die Liebe und wie man immer locker bleibt (German Edition)
Lebensmuster. Wenn ich an meine Patentochter Lily denke, denke ich an die erste Silbe ihres Namens: Li . In Chinesischen bedeutet Li das Geäder eines Blattes oder die Maserung von Holz oder Marmor. In Könige der Wellen j) habe ich eine Szene gedreht, in der ich versuche, eine Lehrstunde darüber zu halten, wie man bei der Herstellung eines Surfbretts mit dem Strich, der Maserung arbeiten muss. Man stößt auf einen Astknoten, und wo ist nun die Maserung? Wo ist der Weg des geringsten Widerstands?
BERNIE: Wenn du Judo betreibst, arbeitest du mit der Energie der Person. Möchtest du in eine bestimmte Richtung gehen, so wartest du, bis auch die Energie des anderen in diese Richtung zielt. Tut sie das nicht, dann wartest du eine Weile, da du ja weißt, dass alles in ständigem Wandel begriffen ist. Wie der Dude so schön sagt: Neuer Scheiß kommt ans Licht , und sobald dies geschieht, fährt man fort. Wir warten, bis die Maserung wieder in die gewünschte Richtung verläuft, und folgen ihr. Doch immer wieder kommt neuer Scheiß ans Licht, die Dinge ändern sich fortwährend, und wir stoßen auf einen weiteren Astknoten. Also warten wir erneut. Und gedulden uns ein wenig.
1980 wollte ich eine interkonfessionelle Gemeinschaft gründen, doch es gab Widerstand seitens verschiedener Leute, sodass ich mein Vorhaben einstweilen aufgab und wartete. Zehn Jahre später ließ sich das Ganze selbstverständlicher an, und wir schwammen mit dem Strom. Das ist ganz häufig so; sonst würde man die Dinge ja auch nur erzwingen und am Ende sich selbst und anderen wehtun.
Manche Leute fragen: Wie lange soll man warten? Vielleicht fünf Leben lang? Zehn? Ich weiß es nicht. In der Hinsicht dürfen wir nicht kleckern, sondern müssen klotzen.
JEFF: Gib das Ziel nicht auf. Halte das Feuer am Brennen.
BERNIE: Die Maserung im Muster des Lebens ist immer da. Zu bestimmten Zeiten tauchen zwar unerwartete Knoten auf, doch die Maserung ist immer noch zu erkennen. Eine der Schlüsselbotschaften des Shakyamuni Buddha lautete: Alles ist Wandel. Und deswegen ist der Satz Neuer Scheiß ist ans Licht gekommen so wichtig. Eihei Dogen schrieb eine Abhandlung mit dem Titel Genjo Koan ( Den entscheidenden Punkt verwirklichen ), in der es darum geht, wie wir das Leben wesentlich leben, nämlich sowohl im Sinne von Der Dude ist nicht da wie auch im Sinne von Der Dude packt das 7 . Am Ende fügt Dogen hinzu: »Über all dies hinaus müssen wir auf Weiteres gefasst sein.« Egal, wie fleißig wir üben und wie überzeugt wir davon sind, unser Leben zu meistern, immer wieder wird neuer Scheiß auftauchen. Die Situation wird sich im Sekundentakt verändern, und wir werden einen Weg suchen, um mit dem Strich, mit der Maserung, dem Muster zu arbeiten, statt dagegen anzugehen.
JEFF: Wenn du anfängst, dein Herz zu öffnen, dann spricht die Welt darauf an. Und es gibt einen solchen Bedarf an offenen Herzen, dass die Welt dich herausfordern wird: Komm schon, wie viel bist du bereit zu geben?
Ist es beim Versager nicht geradezu Programm, keinesfalls der höchste Grashalm sein zu wollen – weil einen das Leben ja sowieso nur niedermäht?
BERNIE: In Japan gibt es einen Spruch, der ungefähr so lautet: Je mehr ein Baum in die Höhe wächst, umso heftiger wird der Wind an ihm zerren. Es ist eine natürliche Folge seines Wachstums. Zwar könnte man versuchen, den Wind davon abzuhalten, doch man könnte ihn auch nutzen, wie man es beim Segeln tut. Hab Geduld; lass dich von den Umständen an dein Ziel bringen. Geh mit dem Wind, und du wirst entweder an dein Ziel gelangen oder aber anderswohin.
JEFF: Manchmal fürchte ich allerdings meine eigene Begeisterung. Enthusiasmus und Kreativität sind wundervolle Dinge: »Öffne dich, öffne dich, na los, mach schon!« Aber die andere Seite sagt: »Du weckst hier womöglich Erwartungen, die dein Hintern nicht erfüllen kann, Kumpel.« Das ist der Grund, warum ich mir sage: »Immer mit der Ruhe .« Weil ich mich manchmal zu sehr begeistern kann. Und es ist auch ein Grund, warum meine Frau Sue so gut für mich ist. Sie dämpft meinen Enthusiasmus auf die schönstmögliche Weise.
BERNIE: Wenn du vom höchsten Grashalm sprichst, der abgemäht wird, oder sagst, dass das Leben die, die zu hoch greifen, vernichtet, denke ich mir oft, wie sehr das auf Menschen zutrifft, die versuchen, das System zu verändern. Nimm etwa Mutter Teresa. Ihr ganzes Leben lang hat sie hart gearbeitet, um das Los der Armen
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