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Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)

Titel: Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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denken. Es gab immer etwas zu tun, und die einzige Ruhepause, die ihnen gegönnt wurde, war die Zeit, in der der Meister selbst schlief. Zum Ärger der Halblinge kam der Zwergenkleriker mit äußerst wenig Schlaf aus.
    Am Eingang der Kammer hing bereits wieder eine Fahne, was so viel bedeutete, dass abermals einer der Bärtigen gestorben war und auf den Abtransport wartete.
    »Ich tippe auf den mit dem Sumpffieber«, sagte Tislo.
    »Da halte ich gegen«, erwiderte Nelf. »Es ist bestimmt der Fette, dem der Span aus der Brust ragt.«
    »Das hoffst du doch nur, weil du ständig seine eiternde Wunde reinigen musst.«
    Tislo hatte nicht ganz Unrecht. Nelf war es leid, jede Nacht drei- oder viermal aufzustehen, um die Wunde von faulendem Fleisch und Eiter zu befreien. Er gönnte zwar niemandem den Tod, aber für diesen wäre es eine Erlösung gewesen, fand er.
    Sie betraten den kurzen Tunnel, der zur Lazaretthöhle führte. Auf der Hälfte der Strecke nahm Tislo seinem Bruder eine der Kupferkannen ab. »Soll ja nicht so aussehen, als wäre ich faul«, flüsterte er.
    Nelf schnitt eine Grimasse.
    Kurz bevor sie die Kammer betraten, zögerten sie. Aus dem Inneren drang ein schmatzendes und schabendes Geräusch zu ihnen.
    »Wir hätten uns mehr beeilen müssen«, flüsterte Nelf. »Jetzt musste Meister Nodrin den Fetten selbst versorgen. Er wird sauer sein, weil wir so herumgetrödelt haben.«
    »Ich lass mir schon was einfallen«, gab Tislo zurück und betrat die kleine Kammer.
    Nelf wollte ihm folgen, doch er sah, dass Tislo wie versteinert stehen blieb. Die Kanne rutschte aus seinen Fingern, fiel zu Boden, und der schmutzig braune Inhalt ergoss sich über die lockere Erde und versickerte sofort.
    Nelf wagte einen vorsichtigen Blick über die Schulter seines Bruders und musste sich zusammenreißen, nicht auch seine Kanne fallen zu lassen.
    Meister Nodrin lag quer über einer der behelfsmäßigen Pritschen. Sein Kopf war übermäßig weit zur Seite gedreht. Blut tropfte aus seinem Mundwinkel, und die Augen waren weit aufgerissen. Über ihm hockte der kranke Zwerg mit dem Sumpffieber, den Kopf tief in die Halsbeuge des Klerikers gedrückt. Von ihm ging das schmatzende Geräusch aus.
    Der fette Zwerg hockte vor dem Bett. Mit einem Messer in der Hand schnitt er ein großes Stück aus dem Bein des Meisters. Der Oberschenkelknochen des Zwergenklerikers machte ihm beim Heraustrennen zu schaffen. Daher stammte das schabende Geräusch.
    Nelf packte seinen Bruder an der Jacke und zog in zurück in den schmalen dunklen Tunnel. Er setzte den Krug mit dem Moorwasser an und nahm einen großen Schluck. Dann reichte er ihn weiter an seinen Bruder, der es ihm gleichtat.
    »Ich muss da noch einmal rein«, flüsterte Tislo.
    »Wieso?«, hauchte Nelf.
    »Meister Nodrin hat eine Karte der Mine in der Schublade seines Tisches.«
    »Wozu brauchst du sie?«
    »Damit wir von hier verschwinden können«, erklärte Tislo.
    »Wieso?«
    Tislo entschied, dass Nelf unter Schock stand. Er wollte es aber nicht schlimmer machen und antwortete deshalb: »Weil es mir hier gar nicht mehr so gut gefällt wie zu Anfang. Und außerdem wird es keine bessere Möglichkeit zur Flucht geben.«
    »Wieso?«
    Diesmal ging Tislo über die Frage hinweg und kam gleich zu seinem Plan. »Ich werde mich hineinschleichen und mich hinter den Betten auf der rechten Seite verstecken. Dann krieche ich bis zum Schreibtisch und schnappe mir die Karte. Wenn mich die Zwerge entdecken, musst du versuchen, sie abzulenken.«
    »Bist du verrückt? Das werde ich auf keinen Fall tun«, zischte Nelf.
    Tislo war froh, nicht wieder dieses ›Wieso‹ als Antwort zu bekommen, doch hatte er sich etwas mehr Unterstützung erhofft. Dennoch war er sich sicher, dass Nelf das Richtige tun würde, wenn er in Gefahr geriet. Er würde ihn retten, so wie er es bisher immer getan hatte.
    Tislo hockte sich hin, warf einen schnellen Blick in die Kammer und huschte auf allen vieren hinter die erste Pritsche. Die Zwerge waren immer noch zu beschäftigt, um ihn zu bemerken. Langsam kroch er die Wand entlang, immer weiter in den hinteren Teil des Lazaretts, wo der Tisch von Meister Nodrin stand.
    Er war bereits am dritten Bett vorbei, als ihn jemand an den Haaren packte. Beinahe hätte er geschrien, doch er konnte den Impuls gerade noch unterdrücken.
    »Wasser, bitte, Wasser«, stöhnte die Stimme vom Bett.
    Das Schmatzen und Schaben erstarb. Dann näherte sich jemand mit schlurfenden Schritten. Tislo legte

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