Der Düsterkrallenwald: Roman (German Edition)
und lag nun mitten in dem engen Bachbett und staute das Wasser vor sich.
»Helft mir raus hier!«, hörte Milo Dorn brüllen. »Mein Arm ist eingeklemmt.«
Milo watete durch den knietiefen Bach um den Käfig herum. Dorn lag bis zum Hals im Wasser und reckte angestrengt den Kopf. Sein Arm war unter dem schweren Gitter eingeklemmt und lag nun mit dem ganzen Gewicht auf ihm.
»Sucht nach langen Ästen«, bat Dorn. »Ihr müsst versuchen, die Seite des Wagens irgendwie zu entlasten, damit ich mich befreien kann. Wo ist Nelf?«
»Ich bin hier«, antwortete eine klägliche Stimme von der Rückseite des Gefährtes.
Nelf stolperte durch das Bachbett und suchte Halt an den Gitterstäben des Käfigs. »Wir sollten schleunigst von hier verschwinden«, stammelte er, den Blick starr auf die Uferböschung vor ihm gerichtet.
Milo schwante nichts Gutes. Er kämpfte sich durch das kalte Wasser auf die andere Seite des Wagens.
»Ob er uns sehen kann?«, fragte Nelf verunsichert.
Die Worte drangen an Milos Ohr, jedoch nicht in seinen Kopf. All seine Sinne waren auf das Wesen gerichtet, dass oben auf derUferböschung stand und den Kopf wie eine Blüte im Wind hin und her bewegte.
Jetzt erklärte sich auch der Schatten, vor dem die Ponys in Panik ausgeschert waren. Ein Untoter. Milo glaubte, erkennen zu können, dass es einmal ein Mensch gewesen war. Größe und Statur ließen kaum einen anderen Schluss zu, auch wenn der Körperbau nur noch anhand der Rüstung zu bestimmen war. Der Mann musste schon seit Ewigkeiten tot sein. Er schien seinen Tod im Moor gefunden zu haben. Die Haut war zu Leder geworden und lag über den Knochen wie ein dünnes Tuch. Die fauligen Zahnreihen standen im Kiefer hervor, und in den Augenhöhlen prangten zwei schwarze Löcher. Er trug die lederne Rüstung eines Soldaten oder Söldners, in der Hand hielt er ein abgebrochenes Langschwert.
Milo war es egal, ob das Wesen sie sehen, riechen oder hören konnte, fest stand aber, dass es sie irgendwie wahrnahm. Aus seinen dunklen Augenhöhlen starrte es herüber zu ihnen und zielte mit der geborstenen Klinge in ihre Richtung.
»Schnell, hilf mir, Nelf«, bat Milo, »wir müssen Dorn befreien. Ohne seine Hilfe sind wir verloren.«
Milo zog seinen Gefährten mit sich. Sie fanden einen armdicken Ast, den der Sturm abgerissen hatte, und schoben ihn unter den umgestürzten Wagen, um einen Hebel anzusetzen. Dorn schob seine Füße durch das Gitter nach draußen, packte zwei der Eisenstäbe und drückte sich vom Boden ab, damit die Halblinge nicht auch sein Gewicht noch heben mussten und auch er seinen Beitrag leisten konnte. Es sah aus, als wenn er versuchte, sich eine Hose anzuziehen, die mit den Beinen auf der Erde festgenagelt war. Mit vereinten Kräften versuchten sie, den Käfig hochzudrücken.
»Wir müssen etwas unter den Ast legen, sonst sackt er zu weit im weichen Sand des Bachbettes ein«, sagte Milo und fing an, nach einem geeigneten Stein Ausschau zu halten. Gerade, als er einen gefunden hatte und versuchte, ihn mit den Händen aus dem Matsch zu graben, hörte er Nelf schreien.
»Hau ab, du verrottendes Scheusal! Kriech in die Schlammgrube zurück, aus der du gekommen bist, und lass uns in Ruhe.«
Milo sah, wie Nelf nach Steinen im Bach fischte und mit den faustgroßen Brocken nach dem Untoten warf. Wenig beeindruckt von den Attacken, schlurfte der untote Krieger weiter auf Nelf zu, das gebrochene Schwert vor sich her schwingend. Die Hiebe waren ungelenk und Nelf noch lange nicht in Reichweite, doch Kraft und Schnelligkeit schienen das Wesen auch im Tod nicht verlassen zu haben.
Milo ließ den Stein zurück in den Matsch plumpsen und griff sich den erstbesten Knüppel, den er finden konnte. Er machte einen Bogen durch den Bach und krabbelte die Böschung hoch, damit er das Wesen von hinten attackieren konnte. Wenn sie von beiden Seiten auf den Untoten eindröschen, gelänge es ihnen vielleicht, ihn zu Fall zu bringen. Was danach zu tun war, wusste Milo noch nicht. Wie bekämpfte man etwas, das schon tot war? Er hoffte auf etwas Unterstützung von Dorn, wenn es diesem gelänge, freizukommen.
Milo schaffte es ungehindert, sich hinter dem Untoten zu postieren. Nelf schmiss währenddessen mit allem, was er in die Finger bekam, und Dorn versuchte immer noch, seinen Arm unter dem Gitter herauszuziehen.
Von dem Wesen ging ein eigenartig saurer Geruch aus. Überall in den Ritzen und Falten der Rüstung hatten sich Schlamm und verwitterndes Laub
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