Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman
heiraten wollen?«, fragte Abbey und sah Edward an. »Damit er durch eine Eheschließung ganz legal in den Besitz der Erbschaft gelangt?«
»Das ist sehr gut möglich«, räumte er vorsichtig ein.
»Warum haben Sie Abbey nicht unverzüglich nach Ebenezers Tod von der Erbschaft unterrichtet?«, fragte Jack argwöhnisch. »Wäre das nicht Ihre Aufgabe gewesen?« Ihm kam der Gedanke, der Anwalt könnte gemeinsame Sache mit Heath gemacht haben.
Edward räusperte sich. »Ich hatte achtundzwanzig Tage Zeit, um Miss Scottsdale zu informieren. So einen Nachlass zu regeln ist eine umfangreiche Aufgabe, müssen Sie wissen, und mit viel Papierkram verbunden.«
»Ja, und Heath hatte unterdessen Zeit, sich an Abbey heranzumachen, nicht wahr?«, sagte Jack in scharfem Ton.
Edward schoss die Röte ins Gesicht. »Ich hatte gehofft, er werde die Tatsachen mit der Zeit akzeptieren, aber er konnte sich einfach nicht damit abfinden – zumal sein Vater ihn nicht enterbt hatte, sondern ihm einhundert Pfund hinterließ. So konnte er das Testament nicht anfechten. Das war eine sehr komplizierte Situation, Sie verstehen.«
»O ja, allerdings«, knurrte Jack. »Und als Heath klar wurde, dass er die Situation nicht zu seinen Gunsten drehen konnte, hätte das Abbey fast das Leben gekostet.«
Edward fuhr sich mit dem Finger in den Hemdkragen und räusperte sich abermals voller Unbehagen. »Falls Sie noch irgendwelche Fragen haben, ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung, Miss Scottsdale. Sie brauchen nur noch die entsprechenden Dokumente unterzeichnen, dann gehört alles Ihnen. Meinen Glückwunsch«, fügte er hinzu. »Sie sind jetzt eine sehr wohlhabende Frau.«
Abbey brauchte einen Moment, um sich der Worte des Anwaltes bewusst zu werden. Sie hatte allen Grund, sich zu freuen, fühlte sich jedoch auch ziemlich überfordert. Und sie dachte an die Verpflichtungen, die ihr neuer Wohlstand mit sich brachte. »Ich bin jetzt eine Frau, die eine große Verantwortung trägt«, sagte sie müde. Zu viel war auf sie eingestürmt. Sie hätte sich am liebsten irgendwo verkrochen und in Ruhe ihre Wunden geleckt.
»Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Verkaufen Sie die Mine«, sagte Edward.
Der Gedanke, dass ihr jetzt die Mine gehörte, in der ihr Vater tödlich verunglückt war, kam ihr völlig unwirklich vor.
»Und was Martindale Hall angeht, nun, es ist ein prachtvolles Haus, aber auch eine nicht zu unterschätzende Belastung«, fuhr Edward fort.
Abbey sah den armen Winston an. Wie konnte sie das Herrenhaus verkaufen und ihn und die anderen Dienstboten um Arbeit und Unterkunft bringen? Sie brauche Zeit, um sich alles in Ruhe zu überlegen, sagte sie zu dem Anwalt. Edward nickte eilfertig und verabschiedete sich.
Als er gegangen war, verfiel Abbey in Schweigen. Auch Jack sagte kein Wort. Er konnte die unverhoffte Wende, die sich in Abbeys Leben vollzogen hatte, genauso wenig begreifen wie sie selbst.
Abbeys Blicke wanderten immer wieder zu Ebenezers Bildnis, das noch neben dem Kamin stand. Am liebsten hätte sie es kurz und klein geschlagen und verbrannt, aber im Kamin brannte kein Feuer, und sie hatte ohnehin keine Kraft mehr.
»Schaffen Sie mir das Gemälde aus den Augen, Winston«, sagte sie, als der Butler mit einem Frühstückstablett aus der Küche zurückkam. »Ich will es nie wieder sehen.«
»Sehr wohl, Miss Scottsdale.« Er stellte das Tablett ab und griff nach dem Gemälde.
»Sagen Sie bitte Abbey zu mir, Winston«, bat sie mit matter Stimme.
»Sehr wohl, Miss. Ich meine, Abbey«, verbesserte er sich hastig. Es würde eine Weile dauern, bis er sich daran gewöhnt hatte.
»Und dann gehen Sie ins Bett und ruhen sich aus, Winston. Natürlich erst, wenn Sie gefrühstückt haben. Sie sehen aus, als hätten Sie die ganze Nacht kein Auge zugetan.«
»Aber …«
»Kein Aber, Winston. Sie ruhen sich den Rest des Tages aus.«
»Sehr wohl, Miss … Abbey.«
»Einfach nur Abbey«, sagte sie ungeduldig.
Winston nickte und ging wieder.
»Ich mag nichts essen, ich werde mich wieder hinlegen«, sagte sie zu Jack.
»Das ist aber nicht gut für dich, Abbey. Willst du nicht wenigstens eine Kleinigkeit zu dir nehmen?«
»Ich kann jetzt nichts essen«, fuhr sie auf.
Jack schwieg hilflos. Nach einer Weile sagte er: »Ich muss nach Hause zurück, Abbey. Meine Mutter ist bestimmt schon halb krank vor Sorge, um dich genauso wie um mich. Kommst du mit?«
»Nein, Jack«, antwortete sie mit Bestimmtheit. »Ich brauche Zeit, ich muss mir über
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