Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman
können«, gab Sybil verschnupft zurück.
Sie wohnte seit einem knappen Jahr auf Bungaree Station bei ihrem Sohn Jack und konnte die ländliche Abgeschiedenheit kaum noch ertragen. Sybil war Schauspielerin gewesen, hatte ihren Beruf aber nach der Hochzeit mit Gerald Hawker aufgegeben, um sich ganz ihrer Familie zu widmen. Als Jack und seine beiden Brüder William und Tom erwachsen waren, war Sybil mit den Söhnen und ihrem Mann von England nach Australien ausgewandert, wo die Landwirtschaft nach Geralds Ansicht Zukunft hatte. Er pachtete ein großes Stück Land im Clare Valley von der Regierung und teilte es unter seinen drei Söhnen auf, damit jeder es nach eigenem Gutdünken bewirtschaften konnte. Sybil wollte jedoch unter keinen Umständen im Busch leben. Sie bestand darauf, mit Gerald in die Stadt zu ziehen. Ihr Mann war einverstanden, hatte aber eine Bedingung: Er wollte vorher sechs Monate bei ihren Söhnen bleiben, bis diese auf ihren Farmen Fuß gefasst hatten. Für Sybil wurden es die sechs längsten Monate ihres Lebens. In Adelaide, wo sie dann bis zum plötzlichen Tod Geralds lebten, arbeitete sie am Theater und war wieder glücklich.
Jack hatte damals für seine Farm fünftausend Merinoschafe gekauft, aber auch Getreide angebaut. William und Tom schafften sich dreihundert Stück Vieh an sowie einen kleinen Bestand an Schafen. Aufgeteilt auf die drei Farmen gab es darüber hinaus noch etwa einhundertfünfzig Pferde. Vor allem in den Sommermonaten brauchten die Rinder allerdings sehr viel größere Weideflächen als die Schafe, und William und Tom fanden bald heraus, dass ihnen das Grundwasser fehlte, das es auf Jacks Bungaree Station im Überfluss gab. Manchmal war es nicht leicht für sie, die Trockenzeit zu überstehen.
Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters hatte Jack seine Mutter gedrängt, nach Bungaree zu ziehen, wo er sich besser um sie kümmern konnte. Sybil war anfangs nicht begeistert gewesen von dem Gedanken, hatte sich aber nach einer kurzen Krankheit entschlossen, Jacks Angebot anzunehmen. Sie vermisste das Stadtleben sehr, zumal sie eine Aufgabe gefunden hatte, die ihr große Freude machte: Sie hatte Bühnenbilder und Kostüme für die Rubenstein Theatre Company in Adelaide entworfen. Außerdem hatte sie ihre Erfüllung darin gefunden, ihr Wissen und ihre Erfahrung an junge Schauspielerinnen weiterzugeben.
Der Umzug aufs Land, wo sie inmitten von Schafen, Fliegen und Misthaufen wohnte, kam für Sybil einem Kulturschock gleich. Ihre Hoffnung, dass es zumindest in Clare, der nächstgrößeren Stadt, eine Bühne oder andere kulturelle Einrichtungen geben würde, hatte sich schnell zerschlagen. Das Einzige, wofür sich die Leute vom Land offenbar interessierten, waren Vieh, Ernte und Wollpreise.
Jack glaubte, eine Gesellschafterin sei die Lösung für Sybils Problem. Wäre er verheiratet gewesen, hätte seine Mutter eine Schwiegertochter als Gesellschaft gehabt, doch Jack war ledig und schien es, sehr zum Ärger seiner Mutter, auch noch eine Weile bleiben zu wollen. Er traf sich zwar mit Clementine Feeble, einer Damenschneiderin aus Clare, aber ans Heiraten dachte er nicht. Clementine war eine attraktive Frau, wurde jedoch launisch, ja sogar boshaft, wenn sie ihren Kopf nicht durchsetzen konnte. Für das Leben auf einer Farm schien sie überdies nicht geschaffen. Jack hatte sich immer ein liebes, sanftmütiges Mädchen als Ehefrau gewünscht, jemanden, der seine Begeisterung für Landwirtschaft und Viehzucht teilte. Da es jedoch nicht allzu viele passende Frauen im heiratsfähigen Alter in der Gegend gab, hoffte er, Clementine werde sich und ihre Meinung über das Landleben ändern.
»Weißt du, ich hätte Lust auf eine schöne Tasse Tee«, sagte Sybil unvermittelt. »Wollen wir nicht in die Teestube ein Stück weiter die Straße hinauf gehen?«
Peinlich berührt sah Jack zu Milton Sharp. Den Tee, den er Sybil gebracht hatte, hatte diese nicht angerührt, und jetzt war er kalt geworden. »Ich denke, wir sollten erst eine Entscheidung treffen, Mutter.« Jack wollte ihr die »schöne Tasse Tee« sozusagen als Belohnung in Aussicht stellen. Er sah abermals die Namen auf Miltons Liste durch. »Wie wär’s mit Marcia Budgeon? Sie scheint eine nette Person zu sein.«
»Woher willst du das wissen?«, gab Sybil bissig zurück. »Hier steht nur, dass sie einundzwanzig Jahre alt und Erzieherin ist.«
»Unter ‚Eigenschaften’ steht hier aber auch, dass sie sehr geduldig ist, und Geduld scheint
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