Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman
Sie hatte Wasser aus einem Viehtrog getrunken. Obwohl es weder sauber noch kühl gewesen war, hatte sie es in ihrem quälenden Durst nicht verschmäht. Danach hatte sie ein paar angefaulte Äpfel von einem Baum gepflückt, und jetzt hatte sie zu allem Überfluss Bauchschmerzen. Müde schloss sie die Augen. Nur ein paar Minuten, dachte sie schläfrig. Dann werde ich weitergehen.
Als Abbey aus dem Schlaf auffuhr, wurde es schon dunkel. Offenbar hatte sie mehrere Stunden unter den Bäumen gelegen. Ratlos schaute sie sich um und versuchte, sich zu orientieren. Einige Augenblicke wusste sie nicht, aus welcher Richtung sie gekommen war oder in welche Richtung sie gehen musste. Plötzlich trug der Wind den Geruch von Essen heran, und ihr Magen knurrte laut.
Sie rappelte sich auf, schnupperte und folgte dann dem Essensgeruch. Schon bald sah sie den Rauch eines Lagerfeuers über einer Hügelkuppe aufsteigen. Abbey kletterte den Hang hinauf und spähte auf die andere Seite hinunter. Am Fuß der Anhöhe hatte sich eine kleine Gruppe Aborigines um ein Lagerfeuer versammelt. Abbey zögerte. Sie wusste von den Zusammenstößen zwischen den Ureinwohnern und den weißen Schafzüchtern, die von der Regierung Land gekauft hatten. Aber sie war furchtbar hungrig, und was immer es war, das sie da kochten, es duftete ganz köstlich.
Sie zählte vier Männer und drei Frauen. Der Anblick der Frauen beruhigte sie, und ihr wurde klar, dass der Bärenhunger, der sie plagte, stärker war als ihre Angst.
Die Aborigines plauderten miteinander. Sie hatten Fleisch im glühenden Holz gegart, und Abbey sah, dass noch eine Menge übrig war. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Sie musste sich beherrschen, um sich nicht einfach auf das Essen zu stürzen, es an sich zu reißen und gierig hinunterzuschlingen. Langsam näherte sie sich dem Lager.
Eine der Frauen entdeckte sie zuerst. Sie sagte etwas zu ihren Gefährten, und alle drehten sich um und starrten Abbey an. Die Männer sprangen auf. Einer schnappte seinen Speer, an dem noch Blut von der Jagd klebte, und ging drohend auf Abbey zu. Er schrie sie an und fuchtelte mit seinem Speer herum, aber Abbey ließ sich nicht einschüchtern, auch wenn es ihren ganzen Mut erforderte.
»Ich bin schrecklich hungrig. Bitte gebt mir etwas zu essen«, bettelte sie.
Der Ureinwohner musterte sie einen Moment schweigend mit seinen dunklen, ausdruckslosen Augen. Dann herrschte er sie von neuem an und bedeutete ihr, sie solle verschwinden. Abbey begriff, dass er sie nicht verstand. Sie fing an zu weinen und zeigte erst auf das Fleisch, dann auf ihren Mund.
Der Aborigine musterte ihr verbranntes Gesicht, dann schien er die riesige Beule an ihrem Kopf wahrzunehmen. Er sagte etwas zu den anderen, und sie berieten sich. Abbey ahnte, dass sie sie für eine verrückte weiße Frau hielten. Warum sonst wäre sie ganz allein mitten im Busch unterwegs? Der Speerträger wandte sich ihr zu. Als er abermals versuchte, sie mit Worten und Gesten wegzuscheuchen, schlug Abbey verzweifelt die Hände vors Gesicht und schluchzte laut.
Verdutzt wich der Mann zurück. Eine Weile saßen alle nur wie erstarrt da und sahen Abbey schweigend an, dann traten zwei der Frauen langsam näher. Während sie sich besprachen, stieg Abbey wieder der verlockende Essensduft in die Nase. Ohne auch nur einen Moment nachzudenken, marschierte sie entschlossen an die Feuerstelle, setzte sich hin, riss ein Stück von dem gebratenen Fleisch ab und stopfte es sich gierig in den Mund. Die Ureinwohner beobachteten sie verwundert.
Auf einmal packten sie ihre paar Habseligkeiten zusammen und gingen, nach einem letzten Blick auf die sonderbare weiße Frau, davon. Abbey, die noch nie in ihrem Leben so hungrig gewesen war, achtete kaum auf sie. Noch bevor sie den Mund leer hatte, riss sie das nächste Stück Fleisch ab, schob es sich zwischen die Zähne und schlang es hinunter. Sie wusste nicht einmal, was sie da aß, bis ihr Blick auf einen Fellrest neben dem Feuer fiel: Es musste gebratenes Kängurufleisch sein. Abbey schüttelte sich, aber ihr Magen knurrte so sehr, dass sie alles gegessen hätte.
Als sie das Gefühl hatte, gleich zu platzen, atmete sie erschöpft tief durch. Das Essen hatte sie müde gemacht und die Dunkelheit tat ein Übriges. Sie legte sich neben der Feuerstelle auf den nackten Boden, rollte sich zusammen und machte die Augen zu.
Abbey wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, als jemand sie anstieß und weckte. Sie fuhr
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