Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman

Titel: Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
Vom Netzwerk:
abgeworfen. Sie landete unsanft mitten zwischen den Schafen, die nach allen Seiten auseinanderstoben.
    Bei dem Aufprall wurde ihr regelrecht die Luft aus den Lungen gepresst. Sie blieb benommen liegen, versuchte, wieder zu Atem zu kommen und festzustellen, ob sie sich etwas gebrochen hatte. Vage nahm sie wahr, dass Horatio in gestrecktem Galopp über die Weide davonjagte.
    Vorsichtig setzte Abbey sich auf. Gebrochen hatte sie sich zum Glück nichts, aber ihr Kopf tat an einer Seite weh, und als sie über die Stelle tastete, konnte sie eine Beule spüren. Abgesehen davon und von einer Schürfwunde an der Hand war sie aber unverletzt. Abbey wusste, dass sie großes Glück gehabt hatte. Sie schaute sich um. Die Schafe grasten friedlich am anderen Ende der Koppel, doch Horatio war nirgends zu sehen.
    Abbey überlegte, was sie tun sollte. Der Straße konnte sie nicht folgen, sie war viel zu nahe an Martindale Hall. Alfie oder Winston hätten sie schnell eingeholt. Und da sich die beiden sicherlich auch in Mintaro nach ihr erkundigen würden, konnte sie niemanden dort um Hilfe bitten. Ihr blieb nichts anderes übrig, als querfeldein zu flüchten. Sie stand auf, klopfte sich den Staub aus den Kleidern und marschierte los.
    Abbeys Gedanken kehrten zu Ebenezer Mason zurück. Diesen Mann sollte sie geheiratet haben? Sie schüttelte ungläubig den Kopf. Wie kamen die Dienstmädchen nur auf so eine absurde Idee? Sie schaute auf ihre Hand, am Ringfinger steckte immer noch der Trauring. Wütend zog sie ihn herunter und schleuderte ihn den Hang hinunter, den sie gerade hinaufgeklettert war. Nie im Leben habe ich dieses Scheusal geheiratet, dachte sie erbost. Jedenfalls nicht freiwillig. Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, Mason könnte etwas in den Wein gegeben haben, um sie willenlos zu machen. Es kam ihr höchst seltsam vor, dass sie bereits nach einem halben Glas Wein, selbst auf nüchternen Magen getrunken, das Bewusstsein verloren hatte.
    Abbey erinnerte sich, wie sonderbar der Wein geschmeckt hatte und wie schnell ihr ganz komisch geworden war. In diesem Moment fiel ihr noch etwas anderes ein: der Mann, der plötzlich neben Ebenezer gestanden hatte, war wie ein Geistlicher gekleidet gewesen.
    Abrupt blieb Abbey stehen. Übelkeit erfasste sie, als ihr klar wurde, dass Ebenezer Mason das Ganze geplant haben musste. Er hatte sie mit der Aussicht auf eine Entschädigung in sein Haus gelockt, ihr mit dem Wein ein Betäubungsmittel eingeflößt und einen bereitstehenden Geistlichen die Trauung vollziehen lassen. Sie hatte gewusst, dass Mason ein skrupelloser Mensch war, aber dass er so weit gehen würde, um zu bekommen, was er wollte … Sie hätte sich, wenn auch mit schlechtem Gewissen, über seinen rätselhaften Tod gefreut, wäre da nicht die traurige Tatsache, dass er sich dadurch der Verantwortung für das tragische Unglück entzogen hatte, bei dem die zwei Menschen, die sie am meisten auf der Welt geliebt hatte – ihr Vater und Neal –, ums Leben gekommen waren.
    Abbeys Gedanken schweiften jäh in eine ganz andere Richtung: Ob Ebenezer Mason sie vergewaltigt hatte? »O mein Gott!«, stöhnte sie laut. Beim bloßen Gedanken daran hätte sie sich übergeben können. Ihr Körper fühlte sich nicht anders an als zuvor, aber da sie nie mit einem Mann intim gewesen war, wusste sie auch nicht, ob sie einen Unterschied hätte bemerken müssen oder nicht. Ein noch grauenvollerer Gedanke drängte sich ihr auf. Wenn sie nun von ihm schwanger geworden war? »O nein, bitte nicht! Bitte, lieber Gott, mach, dass das nicht passiert ist!«, betete sie inbrünstig.
     
    Ein paar Stunden später hatte Abbey bereits etliche Meilen zurückgelegt. Sie hielt sich von der Straße fern und machte einen Bogen um die Farmen. Inzwischen hatte sie sich wieder ein wenig beruhigt. Selbstmitleid ist reine Energieverschwendung, sagte sie sich. Was geschehen war, war geschehen, sie konnte es nicht mehr ändern, und Ebenezer Mason war nun einmal tot, gleichgültig, was er ihr angetan hatte. Sie hoffte, dass sie in Richtung Clare ging, weil Alfie und Winston mit Sicherheit in Burra nach ihr suchen würden. Clare lag glücklicherweise nur wenige Meilen von Mintaro entfernt und in einer anderen Richtung als Burra.
    Es war Nachmittag geworden, und Abbey fühlte sich ganz schwach vor Hunger. Außerdem war ihr Gesicht von der Sonne so verbrannt, dass es wehtat. Erschöpft ließ sie sich am Fuß eines kleinen Hügels im Schatten einiger Eukalyptusbäume nieder.

Weitere Kostenlose Bücher