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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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hörte ihm staunend zu und wusste nicht, was sie davon halten sollte. Er hatte sie angelogen, von Anfang an, weil er ahnte, dass es schwieriger sein würde, sie von einer Abholzung zu überzeugen als von einem Hotel. Nach nur zehn Minuten in einer Bar und einer gemeinsam verbrachten Nacht hatte er sie besser gekannt als sie sich selbst. Natürlich hatte sie ihm erzählt, dass sie wegwollte aus Samoa, dass sie das alles nicht mehr
ertragen könne, die Genügsamkeit, die Kleinheit, die Provinzialität, und, ja, auch die Bäume. Aber es war eine Sache, einer Art des Lebens überdrüssig zu sein, und eine andere, etwas zu zerstören. Diese Erkenntnis hatte Ane bis eben fast vergessen, während er, der Geschäftsmann, schon damals irgendwie gespürt hatte, dass sie mehr Skrupel hatte, als ihr lieb war. Und er spürte es jetzt wieder, denn warum sonst setzte er sich zu ihr, küsste sie auf den Hals und redete – jetzt wieder mit seiner dunklen, erotischen Stimme – auf sie ein.
    »Sieh mal, ich verstehe ja, dass dir nicht ganz wohl dabei ist. Mir war auch nicht ganz wohl zumute, als ich den Wald meiner Kinderjahre habe abholzen müssen.«
    »Das hast du fertig gebracht?«
    »Und ob! Solche Gefühle sind bloß sentimentaler Quatsch, dafür kann man sich nichts kaufen. Heute steht dort ein riesiges Zwischenlager für Baumleichen – so nennen wir in der Branche die gefällten Stämme –, und die Firma, für die ich damals gearbeitet habe, verdient sich mit diesem Lager jedes Jahr eine goldene Nase. Was würde man wohl mit einem unberührten, intakten Wald anfangen können, hm? Gar nichts! Siehst du, ein Wald ist eben nur ein Wald, erst Menschen wie ich lassen daraus Arbeitsplätze entstehen und Sozialbeiträge und Konsum und so weiter. Und jetzt sag mal selbst, bin ich nicht ein Zauberer?«
    Sie lächelte schwach. »Aber Ray, du verstehst das nicht«, wandte sie mit der Stimme eines besorgten Kindes ein. »Die Samoaner nutzen den Wald.«
    »Wie nutzen sie ihn? Sag mir das mal? Sie jagen dort Tauben und Schweine, mehr nicht. Und glotzen auf Spaziergängen die blöden Bäume an. Von dem Geld ihrer Arbeit können sie sich doppelt so viele Tauben kaufen, und wenn sie erst einmal beschäftigt sind, haben sie ohnehin keine Zeit mehr zum Glotzen.«

    »Die Kinder spielen im Wald«, wandte sie verzagt ein.
    »Dann wird deine Regierung ihnen Spielplätze bauen, das machen wir in Amerika auch. Samoa verdient mehrere Millionen an mir, da werden sie euch ja wohl ein bisschen was spendieren. Und wenn nicht, trete ich ihnen in den Hintern.«
    Wieder lächelte sie schwach, dann wiegte sie skeptisch den Kopf. »Ach, ich weiß nicht, Ray.«
    Sie wusste es wirklich nicht. Sie dachte daran, dass sich bald schon riesige Ungetüme aus Stahl Meile auf Meile durch den Wald fräsen und nichts als braune, von Spänen übersäte Ödnis hinterlassen würden. Konnte sie an so einer ungeheuerlichen Sache mitwirken? Sie dachte jedoch auch daran, dass im anderen Fall, falls der Verkauf nicht zustande käme, ihre Provision ausbliebe und sie so weiterleben müsste wie bisher: mit Bauern links und rechts, mit brünstigen Touristen, mit einer breiten Nase.
    Noch während sie grübelte, öffnete Raymond eine Schublade des Schreibtisches, zog ein Blatt Papier heraus und kam damit zum Bett zurück.
    »Eigentlich wollte ich es dir erst heute Abend zum Dinner geben«, sagte er, »aber ich meine, du solltest es jetzt schon bekommen.«
    Sie überflog den Text, und mit jeder Zeile richtete sie sich etwas mehr im Bett auf, und ihr Mund öffnete sich.
    »Ich – verstehe das nicht. Ist das etwa …?«
    »Ein Modelvertrag.«
    »Nein!«
    »Doch!« Er lachte.
    »Aber wie – woher – die kennen mich doch überhaupt nicht.«
    »Du hast mir neulich doch ein paar Bilder von dir gezeigt. Die habe ich denen zugeschickt, dann mit dem Direktor telefoniert. Die Agentur sitzt in Los Angeles und hat
einen prima Ruf, habe ich mir sagen lassen. Flash Fury heißt sie.«
    Ane wiederholte den Namen, als handele es sich dabei um eine Sagengestalt: »Flash Fury . Mein Gott, das klingt super.«
    »Ist super. Die hatten schon die Crawford unter Vertrag und die Evangelista. Da hast du eine echte Chance, Darling. Steht da alles drin. Natürlich müssen die erst noch Probeaufnahmen mit dir machen.«
    »Ich fliege nach L. A.?«, rief sie.
    »Na, was denkst du denn.«
    »Mit Hotel?«
    »Mit Hotel. Vier Tage. Vier Nächte. Blitzlicht, Setcard, Maske, Garderobe, Besprechung mit dem

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