Der Duft der grünen Papaya
Agenten, gemeinsames Dinner. Alles, was dazugehört.«
»Oh, mein Gott.« Jetzt erst begriff sie, was das bedeutete. Das war der Durchbruch auf dem Weg nach oben, das war das Leben, das sie sich immer vorgestellt hatte. Diese Chance würde sie sich nicht entgehen lassen, Probeaufnahme hin oder her. Sie würde alles geben, jeden Ratschlag beherzigen, immer konzentriert sein. Kein Alkohol, keine langen Nächte.
Diesmal hatte Raymond Wort gehalten, dort stand es schwarz auf weiß. Keine Tricks, kein Hinhalten. Die Unterschrift des Agenten war bereits auf dem Vertrag, Ane musste nur noch ihren Namen danebensetzen, und sie wartete damit keine Sekunde länger.
»Jetzt wäre ein wenig Dankbarkeit angebracht«, sagte er. »Du weißt schon, das Land, der Wald …«
Ane fasste sich an die Stirn. Was für ein Tag, an dem so schöne und so schlimme Neuigkeiten miteinander im Streit lagen. Ihr war klar, dass Raymond, wenn er einmal mit dem Direktor von Flash Fury gesprochen hatte, es auch ein zweites Mal tun konnte, und dann wäre alles dahin, der
Traum geplatzt. Ein Teil von ihr würde es nicht ertragen können, nach der Abholzung in die Augen der Dorfbewohner auf Savaii zu blicken, doch der andere Teil rief: Das musst du auch nicht, denn du wirst in L. A. leben und eine Menge Geld verdienen.
»Zunächst einmal«, fuhr er fort, ohne ihre Antwort abzuwarten, »wie wird deine Großmutter auf die Neuigkeit reagieren, die Evelyn ihr zweifellos berichten wird?«
Ane schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Das mit dem Hotel war kein Problem, sie wollte Ili eins auswischen und war bereit, den Papaya-Palast und das Land dafür herzugeben, aber eine Rodung … Ehrlich, ich weiß es nicht.«
»Dann möchte ich, dass du auf der Stelle zu ihr gehst und auf sie einredest. Mache ihr den Verkauf schmackhaft. Sage ihr, dass die Bäume wieder nachwachsen, dass Arbeitsplätze entstehen, dass die Samoaner ihr dankbar sein werden, dass der König ihr einen Orden geben wird – irgendetwas. Gegen diese hysterische deutsche Schnapsdrossel wirst du ja wohl ankommen. Es hängt auch für dich eine Menge dran, das muss ich dir nicht klar machen.«
»Ja, Ray.«
»Also dann: Was sitzt du hier noch rum, willst du ein Ei legen? Abmarsch!« Er gab ihr einen Klaps auf den Hintern.
Sie packte ihre Sachen und verließ die Suite. Es war verrückt, aber sie zwang sich auf dem ganzen Weg zum Hafen, nur daran zu denken, dass sie von jetzt an langsam fahren musste. Ein Unfall, eine kleine Wunde im Gesicht könnte ihr ganzes Leben zerstören.
Nachdem Ane sein Zimmer verlassen hatte, stellte Ray sich ans Fenster und blickte ostwärts über die Dächer hinweg auf die bewaldeten Ebenen und Hügel, die Apia säumten. Wenn er einen Tropenbaum sah, musste er sofort an Gartenmöbel denken. An die geschwungenen Tische, Stühle
und Bänke, die die Terrassen von Amerikanern und Europäern zierten. An die Bilanz seiner Firma Kettner’s Wood . Und an den Kampf, den er seit fast zehn Jahren führte.
Damals wurde er seines Jobs als Chefeinkäufer, zu dem er avanciert war, überdrüssig. Den ganzen Tag wälzte er Papiere, führte Telefonate und nahm an Sitzungen teil. Zu sehr vermisste er den direkten Kontakt zu den Waldbesitzern und Sägemühlen, vermisste den Geruch verschimmelnder Sägespäne, das krachende, stöhnende Geräusch stürzender Bäume und den Anblick von Flächen, die mit Baumstümpfen wie Pockennarben übersät waren. Jeden Sonntag fuhr er mit einer seiner Freundinnen raus zu gerodeten Waldflächen und betrachtete sie wie Gemälde. Die Frauen mochten diese Ausflüge nicht, fanden die Landschaft reizlos, bis Ray sie dort eine nach der anderen nahm. Doch das reichte ihm nicht. Er hatte einfach nicht mehr das Gefühl, Teil dieses Werkes zu sein. Und so kündigte er eines Tages seinen Job und gründete einen eigenen Holzgroßhandel.
Der amerikanische Holzmarkt war größtenteils vergeben, aufgeteilt in Interessengebiete der Konzerne, da war kein Durchkommen. Deshalb konzentrierte Ray sich von Anfang an auf exotische Länder, weil er glaubte, sich dort ein saftiges Stück von der Torte sichern zu können. Teakholz war im Kommen. Man stellte Fensterrahmen aus Teak her, Parkette, Täfelungen für Konferenzräume, Esstische, Lampensockel, Küchenverkleidungen und Schnitzfiguren, aber vor allem Gartenmöbel. Ray verstand, was die Leute an diesem Holz fanden, dem Holz mehrerer hundert Jahre alter Bäume. Als seine Arbeiter den ersten Urwaldriesen
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