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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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Veranda war umrahmt von hohen Hecken, die wie die Mauern von Jericho aufragten und keine
Sicht auf den Garten oder die Bucht zuließen, sondern immerwährendes Grün zeigten; ein Bollwerk, das die Welt mitsamt dem Wind und den Wellen und Wolken aussperrte, und zugleich eine sichtbare Manifestation von Moanas Abscheu gegen ihre Verwandte und Nachbarin war, und gegen alles, was diese liebte.
    Als Evelyn darum bat, sich setzen zu dürfen, sah Moana aus, als wolle sie ihr im nächsten Moment an die Gurgel springen. Aber wenigstens jagte sie sie nicht fort.
    »Nehmen Sie einen Käfer«, befahl Moana und reichte ihr das Glas.
    »Nehmen?«, fragte Evelyn. »Soll ich etwa einen essen?«
    »Wenn Sie das tun, bringe ich Sie um!« Sie sah nicht aus, als würde sie scherzen. »Freilassen sollen Sie ihn. Aber nur einen. Und vorsichtig. Wenn er zu Schaden kommt, dann …«
    Evelyn gab sich die größte Mühe, diesem seltsamen Brauch Rechnung zu tragen, und nach einigen vergeblichen Versuchen gelang es ihr schließlich, einen der roten Käfer auf ihre Fingerspitze zu lotsen und fliegen zu lassen.
    Moana murmelte etwas, das sich wie ein Gebet anhörte, und sagte dann: »Gut. Geben Sie mir das Glas zurück. Und jetzt dürfen Sie sich setzen.«
    Evelyn achtete genau darauf, der Gastgeberin nicht die Füße entgegenzustrecken, was in Samoa als Beleidigung aufgefasst wurde.
    »Hat Ili Sie geschickt? Sie ist zu feige, war immer schon feige und hinterhältig. Hat gelogen und intrigiert. Hat andere gegen mich aufgehetzt, schon damals in der Schule. Hat mir immer weggenommen, was sie nicht haben konnte. Neidisch ist sie gewesen. Ich hatte einen Mann und was für einen schönen Mann! Den hat sie vertrieben. Hinter meinem Rücken natürlich. Feige ist sie. Feige. Kommt nicht selbst, schickt Sie vor.«

    »Da Sie nicht mit ihr sprechen, hätte es wenig Sinn, wenn sie kommt, oder?«
    Auf diesen Einwand ging Moana nicht ein. »Sagen Sie ihr, ich mag Hotels. Ja, ich finde Hotels gut. Dass dieses Haus zum Hotel wird, finde ich gut. Hoffentlich gibt es einen Himmel und eine Hölle, dann wird Tristan zusehen und sich schwarz ärgern.«
    »Ein Hotel wird es nicht geben.«
    »Oh, doch!«
    Ohne Ili auch nur mit einem Wort zu erwähnen, erzählte Evelyn von den Plänen Ray Kettners. Die Greisin erwiderte den Blickkontakt und hörte aufmerksam zu. Nachdem Evelyn fertig war, mussten Moana die Folgen eines Verkaufs eindrucksvoll klar geworden sein, anstatt jedoch Fragen zu stellen oder einen Kommentar abzugeben, blickte sie Evelyn beinahe feindselig an.
    Sie hat die Augen einer Klapperschlange, dachte Evelyn, und im nächsten Moment sprang Moana mit verblüffender Energie von ihrer Matte auf.
    »Diese elenden Ausländer«, fluchte sie mit rauer Stimme. »Haben früher unser Land einfach mit Soldaten besetzt, heute plündern sie uns aus. Ich und meine Eltern, wir haben sie immer schon gehasst, diese Ausländer. Damals waren es die Amerikaner und die Briten, dann die Deutschen« – dabei sah sie Evelyn wieder feindselig an –, »dann die Neuseeländer, und heute sind es alle zusammen, die uns kaputtmachen. Ohnmächtig müssen wir zusehen, wie wir gedemütigt werden.«
    Evelyn erhob sich ebenfalls. »Nicht in diesem Fall«, korrigierte sie. »Wenn Sie nicht verkaufen, geht Kettner leer aus.«
    »Verdient hätte er es. Und Ane auch. Geht in Bars. Raucht und trinkt. Lässt sich für ein Glas Gin betatschen und ins Bett ziehen. Gibt bei mir das brave Mädchen, aber
ich durchschaue sie. Sie ist ein Ausländerflittchen, durch und durch verdorben. Davon hatten wir in unserer Familie immer welche.«
    Evelyn verstand die Anspielung auf Tuila.
    »Ili hat Ihnen von ihr erzählt, nicht wahr?«, sagte Moana. »Von Tuila? Ane machte so eine Andeutung. Sie sehen mir ganz wie der Typ von Frau aus, der von solchen rührseligen Geschichten beeindruckt wird. Ili hat ein Gespür dafür, die Menschen trickreich auf ihre Seite zu ziehen. Das hat sie immer schon verstanden. Mich stellt sie als Ungeheuer hin, weil ich meine Gedanken auf der Zunge trage, aber sie – sie ist tausendmal schlimmer als ich. Habe Ihnen ja schon erzählt, dass sie meinen Sohn ermordet hat. Man traut es ihr nicht zu, doch so war es. Sie leugnet es ja noch nicht einmal.«
    »Sie hat es zugegeben?«, fragte Evelyn mit einem Stirnrunzeln.
    Moana verzog den Mund zu einem Grinsen. »Nicht direkt, dafür ist sie zu klug, denn man könnte sie sonst ja verhaften und verurteilen. Aber ich weiß, was ich

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