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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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»ist wie Julias Todestag. Und ich weiß nicht, wie lange ich das noch ertrage.«
    Drei Sekunden war es totenstill in der Leitung. Dann sagte Bianca fest: »Ich komme sofort vorbei. Rühr dich nicht vom Fleck. Oder nein, geh raus.«
    »Bitte?«
    »Geh vor die Tür und warte dort auf mich.«
    »Warum denn vor die Tür?«
    »Tu, was ich sage. Versprich es.«
    »Ich verspreche es.«
    Es knackte in der Leitung, und Evelyn legte wie benommen den Hörer auf die Gabel zurück. Sie tat mechanisch, was ihr gesagt worden war, und ging in den Vorgarten, ohne zu wissen, wozu das gut sein sollte. Draußen tobte ein trockener Novembersturm, dessen Böen die Sträucher zu Boden drückten und die letzten Blätter von den Bäumen rissen. Der Wind riss an Evelyns schulterlangem Haar und zerrte an ihrem Kleid. Die Hände um den Oberkörper geschlungen wartete sie und wurde mit jeder Minute wacher und wacher, so als fege der Sturm den letzten Rest von Benommenheit mit sich fort. Hier draußen erschien das, was sie eben noch dort drinnen tun wollte, fern und fremd.
    Zum Glück wohnte Bianca nicht weit entfernt. Nach zehn Minuten stand sie vor dem Haus und hupte. Evelyn öffnete die Beifahrertür.
    »Gehen wir nicht zu mir rein?«
    Bianca schüttelte nur den Kopf. »Steig ein. Wir fahren zu mir.«
    »Ich möchte lieber in eine Bar.«
    »Kommt nicht in Frage. Das wäre jetzt ganz falsch. Wir wollen doch reden.«

    »Ich brauche Stimmengewirr und einen handfesten Drink!«, schrie Evelyn gegen den Sturm an. »Sonst kann ich nicht reden. Nicht heute.«
    »Evelyn …«
    »Nein, nein, nein. Jahrelang haben mir Menschen eingeredet, ich dürfe nicht darüber reden, so dass ich angefangen habe, selbst daran zu glauben. Jetzt soll ich reden und kann es nicht. Nicht ohne einen Drink.«
    »Evelyn! Ich kann doch so nicht in eine Bar.« Bianca wies auf ihre Jogginghose mit dem Shetlandpulli darüber. Sie war offenbar ohne Zeit zu verlieren aus dem Haus gerannt, so wie sie gerade angezogen war. »Na ja, was soll’s«, seufzte sie einen Augenblick später. »Dass ich nicht wie ein Model von Chanel aussehe, ist im Moment sicher das geringste Problem, oder? Also schön, machen wir einen drauf.«
    Evelyn stieg ein, und nachdem sie den Sturm ausgesperrt hatte, kehrte einen Augenblick Stille ein, die nur vom Ticken des Blinkers unterbrochen wurde. Bianca sah sie an, dann lächelte sie, und gleich danach legte sie knarrend den ersten Gang ihres Kleinwagens ein.
    Während der Fahrt sprachen sie fast nichts, aber beide Frauen waren in Gedanken bei der Sache, und jede wusste von der anderen, dass sie es auch war. Einmal nur wechselten sie ein paar Worte, als ein kleiner Zweig auf die Windschutzscheibe prallte.
    »Ich wollte, dass du bei diesem Wetter vor die Tür gehst, weil ich dachte, der Wind brächte dich auf andere Gedanken.«
    »Ich weiß«, sagte Evelyn und blickte zum Seitenfenster hinaus. »Das hat er auch.«
    Dann schwiegen sie für den Rest der Fahrt durch die Mainmetropole.
    Die kleine Bar nahe des Zentrums bot alles, was man gemeinhin erwartete: schummerige Beleuchtung, leise Musik,
tiefe Sessel, den Duft von Rum und tropischen Früchten in der Luft, das sanfte Rotationsgeräusch eines Deckenventilators … Alles perfekt. In Berlin wäre eine solche Bar mit allen möglichen Typen gefüllt gewesen, Presseleute, Fahrradprofis, arbeitslose Akademiker, Nachwuchsautoren … In Frankfurt dagegen sahen alle aus wie Banker und Börsianer, die Männer mit Anzügen, Nickelbrillen, perfektem Scheitel und smartem Ausdruck, die Frauen im Kostüm und mit Powerfrau-Attitüde. In diesem Ambiente wirkten Evelyn und Bianca wie zwei Landstreicher auf einer Party des Hochadels.
    »Ich komme hier gewöhnlich nur her, wenn ich eingeladen werde«, rechtfertigte Bianca sich und ignorierte die verwunderten Blicke der Leute. Sie war niemand, der sich lange in einer Situation unwohl fühlte, arrangierte sich mit jeder Notlage und machte das Beste daraus.
    Sie wäre nie in meine Lage gekommen, dachte Evelyn.
    Bianca zündete sich eine Zigarette an und warf mit entschlossenen Bewegungen ihre gewaltige, rotbraune Lockenmähne zurück.
    »Also, was ist los?«, fragte sie direkt.
    »Ich brauche etwas zu trinken.«
    »Die Bedienung kommt bestimmt gleich.«
    »Solange will ich nicht warten.« Ungeniert rief sie durch den ganzen Raum nach der Kellnerin.
    Bianca runzelte die Stirn. »So kenne ich dich überhaupt nicht.«
    Das stimmte. Bianca war mittlerweile eine gute Freundin

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