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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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geworden, aber auch ihr war Evelyn in den letzten Jahren privat weitgehend aus dem Weg gegangen. Der Einzige, der hinter Evelyns Fassade hatte blicken können, war Carsten gewesen, doch der hatte so getan, als ob er nichts bemerkte.
    »So bin ich aber«, sagte sie. Evelyn verspürte seltsamerweise keine Hemmungen mehr, über ihre Gefühle und das,
was vor nicht ganz einer Stunde geschehen war, zu sprechen. Der Schreck über ihren ungeplanten Selbstmordversuch, der Sturm und die Kälte … Sie war hellwach, und als sie zu sprechen begann, war es, als würde sie über eine andere Frau berichten.
    »Ich habe vorhin versucht, mir die Pulsadern aufzuschneiden.«
    »O Gott.« Bianca bog den Kopf in den Nacken und blies mit spitzen Lippen den Rauch in die Luft.
    »Es ist einfach so passiert«, erklärte Evelyn. »In mir drin war so viel Angst und Zorn und Abscheu und ich weiß nicht, was noch alles. Es stieg hoch und immer höher, wie eine Übelkeit. Ich konnte nichts dagegen machen. Mein Körper tat Dinge, die ich nicht verstand. Kein Denken mehr, alles war nur noch Gefühl, nackte reine Panik.«
    »Panik wovor?«
    »Vor allem. Vor dem Leben, vor dem nächsten Tag, vor dem, was mit Carsten und mir passiert, vor dem Vergessen, vor dem Verlust. Was mir Geborgenheit gegeben hat, ist zerschlagen. So als wäre ein Gefäß zerbrochen, und ich bin der Inhalt und stehe nun ohne Halt da. Ich weiß nicht, was ich hier noch soll, Bianca, warum es mich noch gibt.«
    Die Kellnerin kam und störte. Bianca bestellte eine doppelte Bloody Mary, Evelyn stand dagegen der Sinn nach etwas Süßem mit Gin, Kokos und Früchten, und sie überließ es der Bedienung, das Richtige auszusuchen.
    »Ich weiß nicht, wofür ich morgens noch aufstehe«, fuhr Evelyn fort. »Das Haus ist mir unerträglich, und die Welt außerhalb des Hauses ist mir ebenso unerträglich. Ich dachte, irgendwann würde der Zustand sich ändern, aber er nimmt kein Ende. Es ist, als ob ein einziger Gedanke die Wände und den ganzen Himmel beherrscht, als ob ich mit jedem Atemzug diesen Gedanken an Julia und an den Tag vor vier Jahren einatme.«

    »Du solltest mehr arbeiten. Dann kommst du ganz von selbst auf andere Gedanken.«
    »Die Arbeit, das ist auch so eine Sache. Wie kann ich anderen Menschen Ratschläge erteilen, wenn mein eigenes Leben ein Desaster ist? Das wäre, als würde jemand Architektur lehren, dessen Häuser regelmäßig zusammenfallen.«
    »Du bist zu streng mit dir.«
    »Um ehrlich zu sein: Die Arbeit als Beraterin ist mir mittlerweile egal. Ich bin schon genervt, wenn ich zu den Unternehmen reise, und wenn ich dann vor den Leuten stehe, verspüre ich nicht die geringste Lust, ihnen irgendetwas beizubringen. Wenn es mal so weit ist, sollte man die Finger von dem Beruf lassen.«
    Stundenlang redeten sie über alles, über die Arbeit, über Julia, Carsten, die Eltern und Schwiegereltern, die Taubheit und die Sprachlosigkeit und das Unvermögen, daran etwas zu ändern. Und über die Geschehnisse des Abends, die sich jederzeit wiederholen konnten.
    Die Kerze auf dem niedrigen Bartisch war nur noch ein zuckender Stummel, als Evelyn in ihren vierten weißgelben Cocktail blickte und sagte: »Ich werde abhauen. Das ist das Einzige, was mir einfällt.«
    »Abhauen?«, fragte Bianca. »Du meinst, für eine Weile verreisen. Das ist gar keine schlechte Idee. Verbinde das doch mit einer Therapie. Ich habe von einem Selbsthilfezentrum im Rheingau gehört, wo Mütter …«
    »Nein, ich meinte abhauen. Weg von hier, einfach so. Koffer packen und ab. Und bestimmt nicht in den Rheingau.«
    »Evelyn, das bringt doch nichts.«
    »Ich muss weg, Bianca. Ich muss. « Sie weinte. »Ich gehe kaputt und sehe mir dabei zu. Das tut weh, Bianca, verdammt weh. Wenn ich bleibe, zerstöre ich mein Leben und auch das von Carsten. Er lebt mit einer Heulsuse zusammen.
Bin ich erst einmal weg, kann er einen Neuanfang machen.«
    »Quatsch«, schimpfte Bianca. »Man kann bestimmt vieles über Carsten sagen, aber er liebt dich, Evelyn. Nur zeigt er es dir nicht mehr, weiß Gott, warum. Er ist ein Idiot, so wie alle anderen Männer auf diesem Planeten, aber weil er dich nicht verlieren will, ist er immerhin ein liebenswerter Idiot.«
    »Woher willst du wissen, dass er mich noch liebt?«
    »Die Art, wie er dich ansieht …«
    »Ja, wie einen Hund, der nicht mehr stubenrein ist.«
    »Du redest dummes Zeug.« Sie korrigierte sich. »Was ich meine, ist, dass du betrunken bist. Und durcheinander. In

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