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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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würde sich in seinem Grab in Südwestafrika umdrehen, wenn er mit ansehen könnte, wie Sie sich in dieser deutschen Kolonie aufführen. Er hat für das Reich gekämpft, tapfer und glorreich, und nun besudeln Sie seinen guten Namen. Ihr Betragen gegen Fräulein Hanssen ist eine private Angelegenheit, dagegen kann ich leider nichts tun, auch wenn Sie sich damit in der ganzen Kolonie unmöglich gemacht haben. Aber wie Sie Ihre Arbeit verrichten, das fällt sehr wohl in meine Zuständigkeit, und ich befehle Ihnen daher, Leutnant, mir den oder die Täter des Mordes an Ordinarius Löblich und den Nonnen innerhalb von drei Tagen zu bringen, ansonsten übernehme ich höchstpersönlich die Ermittlungen, und dann werden auf Savaii andere Saiten aufgezogen. Ich verspreche Ihnen, ich kriege die Rebellen, und dann wird Ihr Versagen Eingang in die Dienstakte finden. Ich mache Sie in der ganzen Kaiserlichen Armee lächerlich . Was wird wohl Ihre Familie dazu sagen? Drei Tage, keine Stunde länger! Ich denke, ich habe mich klar ausgedrückt, Herr Leutnant von Arnsberg!«
    Klar genug, um zu erkennen, dass er etwas tun musste, wenn er ein Blutbad auf Savaii verhindern wollte.
    Also tat er etwas.

     
    Tristan wartete einen Moment ab, in dem Tuila und Ivana zum Meer gegangen waren, um Muscheln und Krebse für das Abendessen zu sammeln. Ohne um Einlass zu bitten, betrat er Tupus Wohnung. Sie war weitaus schlichter eingerichtet als seine und Tuilas, trotzdem sauber gekehrt und gepflegt. Ivana war eine fleißige Arbeiterin, und doch merkte er an Kleinigkeiten in den Zimmern, dass nicht Tuilas Hand hier wirkte. Die Blumen fehlten, die Schalen von Mangos, Noni-Früchten und Papayas, jene intime Atmosphäre, die die Räume mit liebevoller Wärme füllte. Tupu döste auf einer Matte am Boden, die eine Hand hinter dem Kopf verschränkt, so dass seine Adern sich wie Astholz unter der Haut abzeichneten. Tristan wurde erneut bewusst, wie kräftig Tupu war, und er war froh, seinen Degen an der Uniform zu tragen.
    In einem gepolsterten Korb quengelte Moana leise vor sich hin. Tristan trat vorsichtig neben sie und betrachtete das kleine, runde Gesicht, aus dem die großen Pupillen der Valaisis leuchteten. Würde sein eigenes Kind dieselben Augen haben? Er wünschte es sich. Er wünschte, dass es so ähnlich sein würde wie dieses Mädchen, dass es mit Moana spielen würde, dass sie die besten Freunde würden.
    Doch er hatte wenig Hoffnung.
    Er fand es unheimlich, dass Säuglinge und kleine Kinder später keine Erinnerungen an ihre ersten Lebensjahre hatten, und dass es demzufolge ganz egal war, was er diesem Mädchen nun sagen würde, denn sie würde es ohnehin nie wirklich hören. Dennoch griff er ihr fuchtelndes Händchen und flüsterte: »Es tut mir Leid, meine Kleine.«
    »Was tut dir Leid?«, fragte Tupu, der erwacht war.
    Tristan lächelte die Kleine ein letztes Mal an, bevor er sich seinem Schwager zuwandte.
    »Dass kleine Menschen wie deine Tochter am meisten unter dem leiden müssen, was wir Großen anrichten. Das
ist ungerecht, und ich würde Moana gerne ersparen, was ich ihr antun muss, aber es geht nicht. Du hast den Ordinarius und die Nonnen ermordet, Tupu, und ich bin derjenige, der dich dafür zu strafen hat. Ich muss deiner kleinen Tochter den Vater nehmen.«
    Tupu stand auf und straffte seinen Körper. »Die Brandwunde hat mich verraten, wie?«, seufzte er. »Ich wollte nicht, dass es so weit kommt. Die Toten, meine ich. Es war ein dummer Zufall.«
    »Dummer Zufall«, wiederholte Tristan tonlos.
    »Ja, ein Unglück sozusagen. Wenn der alte Mann mich nicht entdeckt hätte, wäre bloß seine Hütte abgebrannt. Die hätten sie doch innerhalb eines Mondes wieder aufgebaut. Aber er musste unbedingt herumschnüffeln.«
    »Unglück«, sagte Tristan.
    »So ist es.«
    »Dummer Zufall.«
    »Genau.«
    »Es ist ein dummer Zufall, dass du ihm ein Messer in den Leib gerammt hast?«
    »Nachdem er mein Gesicht gesehen hatte, war es unmöglich, ihn leben zu lassen. Das siehst du doch ein.«
    »Ein dummer Zufall, dass du eine Frau niedergestochen hast?«
    »Sie hörte seinen Schrei und kam hinzu. Dafür kann ich nichts.«
    »Ein dummer Zufall, dass du eine zweite Frau offenbar eine Meile weit gejagt hast und …«
    »Sie lief weg.«
    »… und mit vierzehn Messerstichen getötet hast.«
    »Ich werde es nie wieder tun, das verspreche ich.«
    »Sie haben niemandem etwas getan.«
    »Sie haben mich gesehen.«
    »Sie haben niemandem etwas getan, keinem

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