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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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weder zum Mörder noch zum Mitwisser eines Mörders. Wie schon bei den Intrigen Claras und der Gouverneursgattin hatte er sich ein weiteres Mal in einem Netz verfangen, aus dem er nur herausfinden würde, indem er es rigoros zerschnitt.
     
    Der Kuckuck schoss ein einziges Mal aus seiner Höhle hervor, bevor er wieder verstummte und in dem bunt bemalten Holzkasten an der Wand verschwand. Das unerträgliche Ticken der Uhr, so leise es auch war, erfüllte die Stille, und Tristan verfolgte von seinem Stuhl aus den Weg der Rauchwolken, die von der Zigarre des Gouverneurs ausgingen.
    Dr. Schultz stand am Fenster und sah auf den akkuraten Rasen hinunter, über den der Passat strich. Seit Tristan begonnen
hatte zu erzählen, schwieg er, und seit Tristan damit fertig war, stand er an diesem Platz und kehrte ihm den makellos weißen Rücken seines Jacketts zu.
    Schließlich ging er zu seinem Schreibtisch zurück und legte die Zigarre, ganz so, als sei sie ihm zu bitter geworden, auf den steinernen Aschenbecher, wo sie weiter vor sich hin qualmte. Er lehnte sich zurück und blickte Tristan zum ersten Mal seit Minuten wieder an, aber nur, um gleich darauf die Hände über das Gesicht zu legen.
    »Arnsberg«, sagte er nur. »Arnsberg.«
    »Exzellenz«, erwiderte Tristan, ratlos, was er noch sagen sollte.
    »Ist Ihnen eigentlich klar, in welche Lage Sie mich da gebracht haben?«
    »Exzellenz, mir ist noch nicht einmal völlig klar, in welche Lage ich mich selbst gebracht habe. Eins kam zum anderen, verstehen Sie? Anfangs gab es nur einen verletzten Polizisten und ein paar schmutzige Kleider, und ich glaubte den Versprechen dieses jungen Mannes, der – wie man gerechterweise sagen muss – durch Oberst Rassnitz unnötig gedemütigt wurde. Ein kleiner Racheakt, sagte ich mir, aus dem mehr wurde als ursprünglich beabsichtigt. Ich gab mein Wort, nichts zu verraten, um einem Menschen nicht sein ganzes Leben zu vernichten. Doch dann starb der Polizist überraschend, und ich hatte mich gegenüber einem Mörder verpf lichtet.«
    »Das wäre der Punkt gewesen, an dem Sie zu mir hätten kommen sollen. Mein Gott, Arnsberg, ausgerechnet heute.«
    Erneut breitete er die Hände über das Gesicht, bevor er fortfuhr: »Sie haben gesehen, dass die ›Scharnhorst‹ in der Lagune vor Anker liegt? Nun, in Kaiser-Wilhelm-Land, von wo die ›Scharnhorst‹ gerade kommt, war ein Telegramm für Sie hinterlegt, ein Telegramm Ihrer Mutter. Ich
habe es hier, bitte sehr. Es war nicht verschlossen, daher habe ich es gelesen. Ihr Vater, Arnsberg, hatte einen leichten Schlaganfall. Es geht ihm schlecht, man muss das Schlimmste befürchten. Ich will erst gar nicht darüber spekulieren, welchen Anteil an seinem Zustand die unselige Affäre um Fräulein Hanssen trägt, die ihm sicher zu Ohren gekommen ist. Was Sie sich da geleistet haben! Wenn ich mich schon darüber aufgeregt habe, wie muss dann erst der Graf … »
    Der Gouverneur schüttelte den Kopf. »Lassen wir das jetzt. Tatsache ist, dass er schwer genug an seiner schlechten Gesundheit trägt, aber wenn er hiervon hört …«
    Tristan erbleichte.
    »Gott, Arnsberg, Sie haben gegen das Gesetz zum Verbot der Mischehe verstoßen, dafür wird man Sie unehrenhaft aus der Armee entlassen. Und Sie haben außerdem die Bestrafung eines Mörders verhindert, oder sagen wir, hinausgezögert. Jedes Militärgericht wird dafür einen Arrest von wenigstens zwei Jahren verhängen. Das ist eine unerhörte Schande für Ihre ganze Familie und mit großer Wahrscheinlichkeit der Todesstoß für Ihren Vater. Er würde es vielleicht ertragen, wenn Sie in einem Kampf fallen, aber dies hier bringt ihn um, Arnsberg. Das bringt ihn um.«
    Tristans Vater lag im Sterben, seine Mutter machte vermutlich die schwersten Stunden ihres Lebens durch. Und er, er drohte alles zu verlieren, was er hatte – und was er sich wünschte. Man würde ihn vor ein Gericht stellen, irgendwo im Reich einsperren und danach den Aufenthalt in Samoa verweigern. Ihm war, als zöge jemand den Boden unter seinen Füßen weg.
    »Sie haben nur eine einzige Möglichkeit, diese Katastrophe zu verhindern, Arnsberg.«
    Tristan blickte auf. Es gab also noch Hoffnung.
    Der Gouverneur entzündete erneut die Zigarre und nebelte
seinen Kopf mit dickem blaugrauem Qualm ein. Nach vier oder fünf Zügen beugte er sich nach vorn über den Schreibtisch und sagte in einem vertrauten, halblauten Ton: »Annullieren Sie sofort Ihre Ehe mit dieser Samoanerin. Ich kann das

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