Der Duft der grünen Papaya
wollen, dann geben Sie es mir jetzt zurück. Ansonsten behalten Sie es.«
Evelyn lächelte. Langsam verstaute sie es wieder in ihrer Hosentasche.
Er warf den Grashalm zur Seite und gab ihr die Hand. »Falls Sie mal in Apia sind, rufen Sie mich im Aggie Grey’s an, ja?«
Weder bejahte noch verneinte sie, und gleich darauf kam Ane mit dem Schlüssel zurück. Gerade als Ane und Ray sich verabschiedet hatten und in den Jeep einstiegen, hörte Evelyn Geräusche aus dem Haus.
»Warten Sie, Ane!«, rief sie. »Ich glaube, Ili ist zurückgekommen.«
Doch das Aufheulen des Jeeps übertönte ihre Rufe, und kurz darauf wirbelten die Reifen so viel Staub auf wie ein Helikopter. Noch ehe Ili auf die Veranda kam, waren Ane und Kettner verschwunden. Die Staubwolke zog über die Rasenfläche, legte sich, und wenige Augenblicke später war alles wie zuvor.
»Das war Ane«, erklärte Evelyn überflüssigerweise.
Ili nickte. »Ich habe sie und ihren Freund durchs Fenster gesehen. Scheint was Ernstes zwischen denen zu sein, jedenfalls ist es das erste Mal, dass Moana einen von Anes Freunden bewirtet.«
»Stellen Sie sich vor: Sie hat eine Suppe mit Kokosfasern und einer Schnur serviert. Ich hoffe, das ist hier kein Nationalgericht.«
Ili verzog die Lippen zu einem belustigten Grinsen: »Moana war immer schon eine miserable Köchin.«
Dann wurde sie wieder ernst. »Er ist Amerikaner, nicht wahr?«
»Ein Geschäftsmann, ja. Ich glaube, er will ein Hotel auf Savaii bauen.«
»Hier jedenfalls nicht«, erwiderte Ili. »Überall bauen sie jetzt Hotels, das ist groß in Mode. Auf Upolu haben sie angefangen, und jetzt wollen sie auch hierher und die Landschaft verschandeln. Chlorwasserpools, bunte Sonnenschirme an den Stränden, Abfallberge. So etwas brauchen wir nicht.«
Evelyn verstand, was sie meinte, war jedoch nicht ganz ihrer Ansicht. »Nun ja, ich finde überfüllte Strände auch nicht gut, aber wenn man den Tourismus nicht übertreibt, kann er sehr nützlich sein. Denken Sie nur daran, wie viele Menschen für die Schönheit der Natur sensibilisiert werden. Die Walschau-Touren zum Beispiel haben schon eine Menge Leute für diese bedrohten Tiere eingenommen. Erst durch den öffentlichen Druck konnte man die Wale schützen.«
Ili seufzte. »Wer weiß, vielleicht haben Sie Recht. Vielleicht bin ich zu alt, um mich neuen Ideen zu öffnen.«
Ili wirkte nach ihrem Rundgang durch die Plantage erschöpft. Sie ging gebeugter als sonst, und ihre Augen sehnten sich nach Schlaf. Evelyn brachte das Tablett in die Küche und beschloss kurzerhand, den Abwasch zu erledigen. Ilis Protest ließ sie nicht gelten.
»Sie brauchen sich wirklich nicht rund um die Uhr um mich zu kümmern«, sagte Evelyn. »Es macht mir überhaupt nichts aus, meinen eigenen Kram aufzuräumen.«
»Aber Sie sind doch nicht den weiten Weg nach Samoa gekommen, um zu spülen, Evelyn.«
»Bis Ane mich zur Spazierfahrt abholt, habe ich ohnehin nichts zu tun. Machen Sie sich keine Gedanken.«
Ili schmunzelte und wurde wieder etwas wacher. »Spazierfahrt mit Ane? Das hört sich an, als würde da für Sie wieder eine Gebühr fällig werden. Lassen Sie mich raten: zwanzig Dollar?«
Daran hatte Evelyn überhaupt noch nicht gedacht. »Über Geld haben wir nicht gesprochen. Das wäre auch kein Problem.«
»Trotzdem sollten Sie sich bald in Salelologa einen Mietwagen nehmen, es sei denn, Sie haben vor, Ane in der Zeit, in der Sie hier sind, eine Krokodilledertasche zu finanzieren.«
»Ich wusste überhaupt nicht, dass es einen Autoverleiher auf Savaii gibt.«
Ili lachte. »Das hat Ane Ihnen natürlich verschwiegen. Sie hat nur von den Bussen erzählt, wie? Das sieht ihr ähnlich. Eines muss man ihr lassen, sie ist geschäftstüchtig. Aus der Plantage könnte sie etwas machen, da bin ich sicher. Wirklich schade, dass sie sich so wenig dafür interessiert.«
»Wofür interessiert sie sich denn?«
»Für Krokodilledertaschen.«
Beide lachten, und Ili setzte sich an den Küchentisch, während sie mit einem Tuch die Teller und das Besteck trocknete, die Evelyn ihr reichte. Eine Menge Gedanken schienen ihr durch den Kopf zu gehen, denn ihr Gesicht wurde mit jeder Sekunde ernster.
»Ane hat vor einigen Jahren mal eine Banklehre angefangen«, berichtete Ili, »doch die hat sie bald abgebrochen. Es wäre nichts für sie, hat sie gesagt. Solange sie bei Moana lebt, braucht sie nicht viel Geld, und die Kleider finanzieren ihre Männerbekanntschaften – oder Touristen, die
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