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Der Duft der grünen Papaya

Der Duft der grünen Papaya

Titel: Der Duft der grünen Papaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Benedict
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auch noch in anderer Hinsicht ein Problem für Tristan und Tuila geworden.«
    Ili fasste Evelyns Hand und drückte sie dankbar. Dann nickte sie und war wieder ganz bei ihren Erinnerungen. »Ein ziemlich großes Problem sogar. Als hätten sie mit Tupu, der heimlich gegen sie war, und der deutschen Kolonialgesellschaft, die Beziehungen zwischen Deutschen und Samoanerinnen nur bis zu einem gewissen Punkt tolerierte, nicht schon genug Gegner gehabt. Aber wie es mit dem Schicksal nun einmal ist: Ähnlich wie ein Strom speist es sich nicht allein aus einer einzigen Quelle. Nun waren auch noch die Elemente gegen sie.«
     
    Samoa, Anfang März 1914
     
    Es war mitten am Tag, aber tief hängende, flüchtende Wolken machten den Himmel niedrig und dunkel. Tristan saß in seiner Amtsstube über ein Blatt Papier gebeugt. Er war allein; er hatte seine Leute hinausgeschickt, damit sie das Polizeiboot gut anbanden, falls ein Sturm aufzog. Überall herrschte Unruhe. Seine Männer riefen sich draußen aufgeregte Kommentare zu, im Stall bockten die Pferde, und selbst das Licht der Gaslampe zuckte aufgeregt durch den kleinen Raum. Nur der deutsche Kaiser an der Wand blieb fest und unerschütterlich.
    Tristan setzte den Füllhalter an:
    Liebe Mutter …
    Er strich die beiden Wörter durch, nahm ein anderes Blatt und schrieb:
    Liebe Mama, lieber Vater,
    verzeiht, dass ich euch erst jetzt von mir und meinem Leben auf Samoa berichte. Die Tage und Abende sind oft angefüllt mit Arbeit und Pflicht, und wenn ich dann doch einmal ein paar Stunden frei habe, streife ich über Savaii, diese wunderbare Insel. Sie besteht aus breiten, sattgrünen Bergbuckeln, ist bedeckt von Dickichten, Palmenhainen und bunten Vögeln, und an einigen Stellen in Küstennähe durchzogen von verwucherten tiefen Gräben, Überbleibseln alter Taro-Pflanzungen. Ich schätze, ihr habt längst schon im Kolonial-Lexikon über die Insel nachgelesen, darum will ich euch lieber von den fabelhaften Menschen hier erzählen  – und damit meine ich nicht unsere Landsleute, die sich unentwegt mit Tabak und Kaffee aufzuhalten pflegen, und mit Rum. Ich sehe sie wenig. Nein, ich meine die Samoaner. Sie sind bestimmt die lustigsten und unterhaltsamsten Bewohner der Erde, dennoch sind sie auf eigentümliche Art mäßig. Rauschzustände kennen sie eigentlich nicht. Sie tanzen und singen und spielen (selbst die Palmweinzapfer auf den Bäumen albern herum), und damit halten sie diese Insel heiter. Meine Polizeistation in Salelologa steht in aufgelockerter Nachbarschaft zu den Häusern der Insulaner, gleich hinter dem Strand, und so höre ich jeden Abend zur Dämmerung das Plantschen und Lachen eines ganzen Dorfes. Ihr glaubt gar nicht, wie belebend das ist.
    Für mich gibt es nichts Schöneres.
    Damit komme ich zu einem heiklen Punkt. Eines von diesen wunderbaren Geschöpfen ist seit einiger Zeit meine Gefährtin. Sie heißt Tuila und ist die Wunderbarste von
allen. Wenn ihr Tuila kennen würdet, dächtet ihr nicht anders über sie. Ich weiß, dass euch diese Nachricht erschreckt, und das ist das Letzte, was ich will, aber ich musste euch von ihr schreiben, denn sie ist ein Teil meines Lebens auf Samoa geworden, sogar der wichtigste Teil. Ich tue nichts heimlich. Der Gouverneur weiß von meiner Beziehung, allgemein toleriert man hier …«
    Der Wind schlug jetzt heftig gegen die Wände der Station, so dass sogar der Kaiser wackelte. Ein Blick auf das Wetterglas zeigte Tristan, dass die Quecksilbersäule in beängstigender Weise fiel. Was da auf Samoa zusteuerte, war kein einfacher Sturm mehr.
    Er wollte draußen nach dem Rechten sehen und öffnete die Tür, da schlug ihm der Wind entgegen, der die Papiere in seiner Amtsstube durcheinander wirbelte. In den Windböen schwankend, ging er zum Pier hinunter, wo das Polizeiboot fest angetäut lag. Er prüfte rasch die Knoten und warf danach einen Blick in den Stall, ob auch die Pferde versorgt waren. Dann war er beruhigt. Seine Leute hatten gute Arbeit geleistet und sich danach in ihre Unterkünfte zurückgezogen. Er verzieh ihnen ihre Selbstständigkeit. Mehr als abwarten und sich in Sicherheit bringen konnte man jetzt nicht mehr tun. Der erste Regen prasselte nieder, und draußen vor dem Riff hob und senkte sich das Meer in gewaltiger Dünung. Zurück in der Amtsstube, blickte Tristan aus dem Fenster zur Landseite hin. Durch den dichten Schleier des Wolkenbruchs sah er, wie die Bäume sich bogen.
    Er musste an Tuila denken. Die Samoaner

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