Der Duft der grünen Papaya
wären entsetzt! Der Sohn aus der Armee gestoßen und verheiratet mit der Eingeborenen einer Kolonie, einer braunhäutigen Frau, die ihr bisheriges Leben in einer offenen Hütte verbracht hatte und oft nur mit Blumen und Bast bekleidet war. In ihren Augen und den Augen der Gesellschaft, den Augen des vergangenen neunzehnten Jahrhunderts, wäre die Familie entehrt.
Tristan hasste sich dafür, aber er konnte die Folgen, die diese Heirat hätte, nicht einfach ignorieren. Ja, wenn es nur nach seinem Gefühl gehen würde!
»Tuila und ich«, antwortete er leise, »sind auch ohne Trauung Mann und Frau.«
»Wenn das dein letztes Wort ist, bestimme ich, dass es keine Liebe mehr zwischen euch geben darf.«
Tristan stand ruckartig auf. Seine Augen verengten sich, als er auf Tupu hinabblickte.
»Du kannst mir nicht verbieten, Tuila weiterhin zu sehen.«
»Nein«, räumte Tupu ein. »Aber ich kann Tuila verbieten, dich zu sehen.«
Tristan biss die Zähne zusammen, er sah sich hektisch um. »Ich will sofort zu ihr. Wo ist sie? Ich will sie augenblicklich sprechen.«
Tupu blieb gelassen. »Ich habe sie aufgefordert, mich allein mit dir verhandeln zu lassen. Sie wartet unten an der Bucht.«
»An der Palauli Bay?«
Tupu nickte.
»Sie wird mich verstehen«, sagte Tristan überzeugt.
»Susu mai, hör zu, wahrscheinlich wird sie dich verstehen. Aber das hat keine Bedeutung. Es ändert nichts an dem, was ich bestimmt habe. Ich bin der matai , das Oberhaupt meiner Familie. Sie muss mir gehorchen, ganz gleich, was sie darüber denkt. So ist es seit vielen Zeiten.«
Tristan lachte verächtlich auf. »Du hast keine Ahnung, wovon du da redest. Und weißt du, warum? Weil du die Liebe nicht kennst. Weil dein Herz hart geworden ist. Und weil du eine Frau mit einem noch härteren Herzen hast. Ich hätte dich nicht für so undankbar gehalten, Tupu, nachdem ich dir …« Er warf einen Seitenblick auf Ivana, die noch immer mit Moana im Arm in einer Ecke stand, und korrigierte sich: »… nach allem, was ich für dich getan habe.«
Er zog seine Stiefel an, schwang sich aufs Pferd und ritt in Richtung der Bucht davon.
Ivana trat näher an Tupu und fragte: »Warum hast du ihm gesagt, wo deine Schwester wartet? Nun werden sie sich doch noch einmal wiedersehen. Und küssen. Und lieben. Das wolltest du doch nicht.«
Tupu grinste in sich hinein und schwieg.
Ivana fragte nach: »Und was hat er damit gemeint, als er sagte, er hätte viel für dich getan?«
»Er hat dein Leben gerettet, oder?«
Ihr Mund verhärtete sich. »Weil er dachte, ich sei Tuila, nur darum hat er es getan. Für mich wäre er nie in das zusammengestürzte Haus gestiegen. Sage also nie wieder, er habe mein Leben gerettet. So war es nicht. So darf man das nicht sehen.« Sie machte eine Pause, so als müsse sie sich ihre Überzeugung wieder und wieder einprägen, dann ergänzte sie: »Aber ich hatte den Eindruck, als habe er eine Hilfe speziell für dich gemeint, etwas, das nur zwischen euch abgemacht worden ist.«
»Du redest zu viel«, sagte er barsch. Er stand auf und erhob seinen Zeigefinger. »Ich will nie wieder etwas davon hören, hast du verstanden? Ich bin Tupu, und ich muss mich nicht rechtfertigen, nicht vor dir – und auch nicht vor einem papalagi . Ich weiß, was ich tue. Ich habe mir alles genau überlegt.«
»So? Was hast du dir überlegt?«, wollte Ivana wissen, obwohl ihre Tochter zu quengeln anfing.
Wieder schwieg er und grinste. Dann verließ er das fale. »Ich gehe!«, rief er. »Das Kind schreit mir zu laut.«
Tristan ritt die zwei Meilen wie der Teufel. Als er an der Bucht abstieg, wusste er kaum, wie er dorthin gekommen war, sosehr war er mit seinen widerstreitenden Gefühlen beschäftigt gewesen. Er war bereit, Tupu die Stirn zu bieten, aber er fürchtete ihn auch, und er sehnte sich nach Tuila, obwohl er Angst vor dem hatte, was sie ihm sagen könnte. Er fühlte sich stark, weil er bereit war, gegen Tupu zu kämpfen, und zugleich verwundbar, weil er wusste, dass er gegen Tuila nicht würde kämpfen können. Er versuchte, sich ein Leben ohne sie auszumalen, doch er konnte es
nicht. Und dann versuchte er, sich ein Leben vorzustellen jenseits seiner Herkunft und Stellung, ein Leben gegen seine Eltern und gegen seinen Staat, ein Leben als Ausgestoßener, doch auch das war ihm nicht möglich. Alles hing davon ab, wie sie sich zu seiner Liebe und zu Tupus Verbot stellte.
Sie saß mit dem Rücken zu ihm zwischen Kokospalmen. Wegen der
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