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Der Duft der Mondblume

Der Duft der Mondblume

Titel: Der Duft der Mondblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Wirklichkeit.« Er lächelte. »Sind Sie aus den Staaten?«
    »Ja. Ich arbeite hier im Tripler Army Hospital.«
    »Aha. Muss ganz schön hart sein.«
    »Ja. Manchmal. Aber Momente wie dieser … rücken die Dinge in einen anderen Blickwinkel.«
    »Nun, ich will nicht stören. Guten Abend.«
    »Wiedersehen. Viel Glück«, antwortete sie.
    Das Gesicht der Frau, ihre sanften Augen und ihr anziehendes Lächeln tauchten zu ganz unerwarteten Momenten in seinem Bewusstsein auf. Und so war er nur halb überrascht, als er sie zwei Tage später, ebenfalls bei Sonnenuntergang, wiedersah. Diesmal trug sie ein Baumwollkleid, und das Haar fiel weich über ihre Schultern.
    »Hallo«, sagte er. »Wie geht’s Ihnen heute?«
    »Oh, hallo. Die Welt dreht sich noch. Also geht’s gut. Ja, es war gut«, fügte sie hinzu. »Zwei meiner schlimmen Fälle konnten das Krankenhaus verlassen, nicht vollständig geheilt, aber auf gutem Weg.«
    »Wurden sie nach Hause geschickt oder zurück zu ihren Einheiten?«, fragte er.
    »Einer ist auf Urlaub nach Hause gefahren, der andere in ein Genesungsheim. Leben Sie hier?«
    Sie redeten, während sie nebeneinander den Strand von Waikiki entlanggingen.
    Am Outrigger Canoe Club blieb er stehen. »Trinken Sie etwas mit mir hier im Club?«
    Der Club wurde jetzt von wohlhabenden Einheimischen und von Offizieren der höheren Ränge besucht. Denn der Krieg hatte auch die Szene von Waikiki verändert. Einige der einheimischen Surfer hatten ihre Aktivitäten auf die andere Seite der Insel verlagert. Aber er war auf der Hut und sprach kaum über die Männer, die für das Surfen lebten, während der Rest der Welt Krieg führte. Und mit der Zeit zog er die Windschattenseite von Waikiki vor, wo er mehr und mehr Zeit mit der sanftmütigen Krankenschwester verbrachte.
    Es gab eine unausgesprochene Vereinbarung, dass sie sich an ihren freien Abenden am Strand trafen. Sie erzählte von den Verwundeten, die ihr anvertraut waren, von ihrer Familie und ihrer Kindheit an der Ostküste. Dass er ein wortkarger Mann war, hatte sie bald festgestellt. Er war ein guter Zuhörer, sprach aber kaum über sich selbst.
    Aber sie war fasziniert, wenn er über das Meer redete, übers Surfen, die Inseln, die Menschen, die hier lebten, und ihre Kultur.
    Nach und nach machte er sie mit seinen Lieblingsplätzen bekannt. In Waikiki hörte sie Geschichten über Hawaii, wenn sich die Strandburschen um sie scharten. Ihre zuvorkommende Art und ihr Humor bezauberten sie. Allmählich verstand sie, was der Aloha-Geist bedeutete.
    Manchmal nahm er sie auf seinem Brett mit hinaus zu einem Tandemritt, aber eigentlich saß sie lieber am Strand und sah ihm Stunde um Stunde zu, wie er fast wie in Trance über die Wellen glitt. Es war, als ob er das Wasser lese wie eine Landschaft, sie sich ständig veränderte, bis er jedes Zittern und Sich-Auftürmen, jeden Hügel und jedes Tal kannte. Er erspürte die Launen und die Wucht der Wellen, bevor er sich auf sie wagte.
    Sie wurden ein Liebespaar.
    Wenn sie zusammen waren, gab es nur sie. Dann dachten sie nicht an den Krieg mit seinen Schlachten, die anderswo stattfanden.
    Niemals vorher hatte er jemandem erlaubt, in sein Leben einzudringen. Manchmal fühlte er sich verletzlich, und die Grenzenlosigkeit seiner Gefühle machte ihm Angst. Zu anderen Zeiten fürchtete er, sie würde womöglich Forderungen stellen, Dinge von ihm erwarten, die er ihr nicht geben konnte. Doch nun, während der Krieg tobte, lebten sie nur für den Augenblick, in dem sie einander in den Armen hielten.
    Als sie eines Tages mit niedergeschlagener Miene zu ihm kam, wusste er sogleich, dass etwas Schlimmes geschehen war.
    Er versuchte zu begreifen, was sie ihm erzählte: dass sie aufs Festland zurückkehren würde. Jetzt, da der Sieg in Sicht war, wurden viele der Krankenschwestern nach Hause geschickt. Bleiben wollte sie nicht, denn eine Zukunft für sie beide sah sie nicht.
    Aber sie war traurig. Sie sagte, dass sie die Inseln liebte. Und dass sie ihn liebte. Er war fassungslos und bestürzt. Aber im tiefsten Innern wusste er, dass sie recht hatte. Er konnte sein Leben und das Meer nicht aufgeben. Nicht einmal für sie.
    So war es vorbei. Sie wollte keinen großen Abschied.
    Alles, was ihm einfiel, war: »Du weißt, wo du mich findest.«
     
    Er kam aus der Dunkelheit herein und entzündete auf dem kleinen Tisch ein schwaches Licht. Er glättete das Blatt Papier einige Male, als ob er es liebkosen wollte, bevor er den Stift ansetzte.

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