Der Duft der Mondblume
macht bestimmt Spaß. Was meinst du, Cath?«, freute sich Mollie.
»Wir müssen uns allerdings vor Sonnenaufgang auf den Weg machen«, erklärte Kiann’e.
»Oh.« Mollies Begeisterung schwand.
»Das wird auf jeden Fall interessant. Ja, wir kommen gerne mit«, sagte Catherine zu.
Es war noch nicht richtig hell und ziemlich windig, als sie am nächsten Morgen über die Pali fuhren und auf einer Seitenstraße in ein Tal einbogen. Kiann’e stellte das Auto neben der Straße ab und reichte Catherine und Mollie eine Taschenlampe und einen geflochtenen Korb.
»Das werdet ihr brauchen. Anika und ich gehen vor.«
Kaum waren sie in dem feucht-kühlen Regenwald, verstummten die Frauen. Die große wunderschöne Tochter von Kiann’e übernahm die Führung. Trotz des Dämmerlichts ging sie mit sicherem Schritt voraus. Um nicht über dicke Wurzeln, Steine oder Pflanzen zu stolpern, hefteten Catherine und Mollie den Blick fest auf den gelben Lichtfleck, den ihre Taschenlampe vor ihre Füße malte. Erst als Kiann’e und Anika stehen blieben, schauten sie auf und sahen, wo sie waren.
Zwischen moosbewachsenen Felsen plätscherte ein Bach über Steine. Große Bäume reckten sich in den perlmuttfarbenen Himmel.
Anika blickte ihre Mutter an. Da hob Kiann’e die Hände und begann leise zu singen. Bis ins Hochland hallte ihre klare Stimme, als sie über die Grenzen der Zeit hinweg die alten Geister anrief. Anika kauerte sich nieder und pflückte eine Handvoll kleiner feuchter Farne, die sie gekonnt zu einem Kranz flocht und auf die Wasseroberfläche setzte, während der Gesang ihrer Mutter das Tal erfüllte.
»Wir ehren die Aina, unser Land, und sagen Mahalo dafür, dass wir sein dürfen«, erklärte Kiann’e.
Dann gingen sie hintereinander den Bach entlang. Mollie strich Catherine über die Hand. »Ich kann die Blumen riechen«, flüsterte sie.
Kiann’e und Anika wiesen auf die Farne und andere Wildpflanzen, auf Moosstränge und auf die blühenden Bäume weiter vorn.
»Am besten sind die Blumen, auf denen noch Tau liegt«, erklärte Kiann’e.
Während der Himmel immer heller wurde, pflückten sie Blumen und Farne und legten sie vorsichtig in ihre Körbe.
Kiann’e hielt verschiedene Blumen hoch, steckte einen Farnzweig dahinter oder bog ein Blatt und eine aufspringende Knospe um ein Büschel Pikakeblüten. Sie überlegte bereits, wie sie die verschiedenen Leis gestalten wollte.
»Wenn man einen Lei bindet, schlägt man damit eine Brücke zwischen der Natur und uns, er ist ein Geschenk, das uns vieles sagt. Hallo, willkommen, gute Reise, viel Glück, alles Gute.«
»Schade, dass sie so schnell welken«, meinte Mollie.
»Wie bei vielen Dingen ist es vor allem die Erinnerung an das nicht Greifbare, die bleibt.« Lächelnd hielt Kiann’e eine Frangipaniblüte hoch. »Riech daran und präge dir alles ein. Jetzt wirst du jedes Mal, wenn du diese Blume siehst und riechst, an diesen Augenblick zurückdenken.«
Inzwischen war die Sonne aufgegangen und sandte ihre ersten Strahlen durchs dichte Blätterdach des Regenwaldes und den feinen Dunst hinunter zum Bach, wo das Wasser auffunkelte. Tautropfen lösten sich wie Tränen. Was für eine Gnade, das zu erleben, dachten die Frauen. Auch Mollie wirkte ganz andächtig. Als sie dann mit ihren Körben voller Blumen und Grün durchs Tal zurückgingen, sprachen Kiann’e und Anika über verschiedene Lei-Varianten und die Kunst, die einzelnen Blüten zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden. Auch gab es viele Möglichkeiten, Leis zu binden, zu verstärken und zusammenzusetzen.
Am Hotel setzten Kiann’e und Anika die beiden ab. »Bis heute Abend«, winkten sie ihnen nach.
Mollie hakte sich bei Catherine ein. »Toll. Das war das frühe Aufstehen wert. Danke. Aber jetzt lass uns frühstücken, der Tag ist noch jung.«
Catherine war ein bisschen benommen, als der Zeitpunkt der Buchvorstellung näher rückte, und überließ Mollie die letzten Vorbereitungen. Sie war bereits für eine Radiosendung interviewt worden, und die
Hawaii News
hatten ein großes Feature mit Fotos über sie und das Buch gebracht. Rob und die Mädchen hatten angerufen, um ihr viel Glück zu wünschen.
Als Catherine schon wieder an ihrer Frisur herumzupfte, drückte ihr Mollie ein Glas Champagner in die Hand. »Hier, eine Ankleidehilfe. Und hör mit der Fummelei auf, du siehst umwerfend aus.«
»Ich bin es eben nicht gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen. Vince hat gesagt, es sei völlig in Ordnung, wenn ich
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