Der Duft der Mondblume
ganz schöne Tyrannin sein. Alles muss haargenau so gemacht werden, wie sie es sich vorstellt, da gibt es kein Pardon. Aber man muss zugeben, dass sie die Seele des Ganzen ist. Sie hat mich unter ihre Fittiche genommen, mich ermutigt und dafür gesorgt, dass ich im Moonflower unterkam.«
»Ich finde es seltsam, dass eine Frau von der Ostküste sich die Kultur und Traditionen von Hawaii so sehr zu eigen gemacht hat. Wie hat es sie überhaupt auf die Inseln verschlagen?«
»Wahrscheinlich hatte sie Liebeskummer und hat hier Zuflucht gesucht. Über sich spricht sie nicht gern. Sie hat dann Ed Lang geheiratet, der ein gutes Stück älter war. Ach, was waren sie glücklich. Ich weiß noch, wie gern sie ein Kind gehabt hätten, aber es hat nicht sollen sein. Dann ist Ed ganz plötzlich gestorben, und alle dachten, dass sie jetzt das Hotel verkaufen und wieder zurück an die Ostküste ziehen würde. Aber sie widmete sich mit Leib und Seele dem Palm Grove, und es war, als würde sie neu geboren. Das Hotel ist ihr Leben.«
»Sie scheint sich ungeheuer gut mit den alten Traditionen und der Geschichte Hawaiis auszukennen«, meinte Catherine. »Ich war völlig fasziniert. Davor wusste ich von Hawaii nur, dass dort der Strand von Waikiki ist und Captain Cook auf Big Island ermordet wurde.«
Kiann’e rührte eifrig in ihrem winzigen Kaffeerest. »Oh, da gibt es eine Menge, was sich zu wissen lohnt. Viele Jugendliche interessieren sich heutzutage nicht mehr für die Vergangenheit, sie sagen, das ist alles lange her. Den Touristen werden ein paar seltsame Bräuche vorgeführt, die dadurch überdauern … aber mancherorts passiert sehr viel«, ergänzte sie nach einer kurzen Pause.
»Was denn? Das interessiert mich sehr«, sagte Catherine, die merkte, dass Kiann’e zögerte, ins Detail zu gehen.
Die Tänzerin lächelte. »Langsam, langsam. Wenn du dich wirklich dafür interessierst, können wir ein paar Leute besuchen und einige besondere Plätze. Ich glaube, dann würdest du auch verstehen, wie viel es noch zu lernen gibt.«
»Oh, das würde ich wirklich gern.« Catherine nickte eifrig. »Ich brauche in meinem Leben mehr als Bastelkurse, Teekränzchen und Geplapper mit Frauen, die nur Dekoration für die Karriere ihres Mannes sind.«
Kiann’e lachte leise. »Man merkt, dass du Australierin bist, Catherine, du bist sehr geradeheraus. Mir gefällt das. Aber deinem Mann sagst du in den kommenden Wochen und Monaten am besten nur, dass du dich mit einer Freundin triffst. In Wirklichkeit gehen du und ich jedoch auf eine Reise.« Sie schob ihre Hand über den Tisch, und Catherine legte ihre obendrauf.
Auszüge aus der Biographie
Der Wellenjäger
Für den jungen Mann hieß Schwimmen nicht einfach nur, dass er sich als Rettungsschwimmer seinen kargen Lebensunterhalt verdienen konnte. Schwimmen war für ihn eine Herausforderung wie das Laufen; Sport und Vergnügen zugleich. Es wurde zum Höhepunkt seiner Tage, dem er freudig entgegensah – ein wohlverdientes Geschenk nach dem langweiligen Herumsitzen am Strand, wo er Dienst als Rettungsschwimmer tat.
Wenn er lief, war er in den Vororten von Los Angeles ein ebenso ungewohnter Anblick wie damals in Red Hawk. Die Einwohner gingen nicht viel zu Fuß, Automobile waren im Kommen. Manchmal musterte man ihn forschend und argwöhnisch, doch ein zweiter Blick auf den sportlichen, gutaussehenden jungen Mann, der in gleichmäßigem Tempo entschlossen vorwärtslief und die überholenden Autos ignorierte, räumte schnell jedes Misstrauen aus. Hin und wieder grüßte ihn einer der Vorbeifahrenden oder winkte ihm zu, aber die meisten rauschten achtlos vorbei.
Nach der eintönigen Prärie von Red Hawks faszinierte ihn die abwechslungsreiche Landschaft von Los Angeles, und er nahm die zurückgelegten Entfernungen gar nicht wahr. So lernte er die ausufernde Stadt, die Viertel aus Lehmziegelhäusern, die Farmen, die herrschaftlichen Häuser an der Westside, die Obstplantagen im San Fernando Valley und die Filmstudios von Hollywood kennen.
Er stieß auf kleine, von Ausländern bewohnte Siedlungen, und in einem fünf Meilen von Hollywood entfernten Nest entdeckte er den Laden eines dunkelhäutigen Mannes, der Englisch mit starkem Akzent sprach und selbstgebackenes schweres Vollkornbrot für zehn Cent pro Laib verkaufte. Mit drei dieser wunderbaren Brotlaibe und einem Beutel Lebensmittel aus dem Direktverkauf einer Farm kam der junge Mann fast eine ganze Woche über die Runden.
Beim
Weitere Kostenlose Bücher