Der Duft der Rose
mich mit Männern einzulassen, die für mich arbeiten. Ihr seid der erste.« Ehe er etwas entgegnen konnte, fuhr sie fort: »Und ich habe Euch heute nicht rufen lassen, um die Erinnerungen an unser Beisammensein aufleben zu lassen, sondern um Euch die Pläne für die Seifenmanufaktur zu zeigen und mit Euch die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Alles andere war«, sie machte eine vage Handbewegung, »eine Aneinanderreihung mehr oder weniger glücklicher Ereignisse.« Sie senkte die Stimme. »Die ich ebenso genossen habe wie Ihr.« Sie lächelte ihn verschwörerisch an und hoffte, damit die Situation entspannt zu haben.
Aber statt die ihm zur Versöhnung gereichte Hand zu nehmen, stieß er einen halblauten Fluch aus und durchquerte den Raum mit langen Schritten. Vor dem Fenster blieb er stehen.
Ratlos blickte ihm Ghislaine nach. Was hatte sie jetzt wieder falsch gemacht? Sie wusste es nicht. Also wartete sie geduldig darauf, dass er sich umdrehte und eine Erklärung für sein Verhalten gab.
»Ihr habt keine Ahnung.« Seine leise Stimme war voller Hass und erfüllte den Raum mit Grabeskälte. Er drehte sich um und kam auf sie zu. Die hellen Augen sprühten Funken. Unwillkürlich wich sie zurück.
»Ihr habt keine Ahnung, sonst würdet Ihr nicht so leichtfertig darüber sprechen. Oh ja, ich weiß, dass Ihr es genossen habt. Aber ich war weit davon entfernt.« Er unterbrach ihren Einwand, noch ehe sie ihn aussprechen konnte, mit einer Handbewegung. »Als ich auf Plessis-Fertoc ankam, war ich ein zufriedener Mann. Dann traf ich Euch. Ihr kennt Eure Wirkung, und Ihr wisst sie einzusetzen. Natürlich bemerkte ich die Anziehungskraft zwischen uns. Aber ich wäre damit fertig geworden, wenn Ihr nicht beschlossen hättet, Eurem Verwalter die einzigartige Ehre zuteil werden zu lassen, Euch mit ihm einzulassen. Während Ihr einfach zu Eurem gewohnten Tagesablauf zurückgekehrt seid, gab es keine Stunde, in der ich nicht an Euch gedacht habe.« Er trat auf sie zu und blieb knapp vor ihr stehen. Wechselnde Emotionen zeichneten sich auf seinem Gesicht ab. »Euer Duft verfolgte mich ebenso wie Eure heiseren Worte. In meinen Träumen tat ich Dinge mit Euch, die Eure makellose Welt mit hässlichen Flecken besudeln würden, spräche ich sie laut aus. Ich begehre Euch so sehr, dass alles andere an Wichtigkeit verliert. Ich begehre Euch so sehr, dass ich dieses Begehren nicht beherrschen kann. Und deshalb werde ich gehen. Weil ich nie wieder das tun will, was ich heute in Eurem Arbeitszimmer getan habe - mich von niederen Instinkten antreiben lassen und alles andere vergessen.«
Während sie diesen Ausbruch schweigend verfolgte, legte sie unwillkürlich die Hand auf die Brust, als hätte sie Schwierigkeiten zu atmen. Seine Worte wühlten sie auf. Es war schlimmer, als sie vermutet hatte, viel schlimmer, und sie hatte mit ihrem Verhalten wesentlich dazu beigetragen. Hilflos sah sie ihn an. Sie hatte nicht das Recht, ihn zu halten, wenn er gehen wollte. Ihre Motive, sich ihm zu nähern, waren rein egoistisch gewesen. Sie hatte keinen Gedanken daran verschwendet, was es für ihn bedeuten könnte, sondern war davon ausgegangen, dass er wie die meisten Männer nicht viel darüber nachdachte, mit wem er gerade ins Bett stieg. In ihren Kreisen war Affären immer eine gewisse Leichtigkeit zu eigen. Tragödien ereigneten sich selten. Deshalb war sie gar nicht auf die Idee gekommen, dass es für Nicholas Levec anders sein könnte. Sie hatte sich über seine Persönlichkeit und seine Gefühle keine Gedanken gemacht, für sie war er nur ein Mittel zum Zweck gewesen.
»Sogar jetzt, in diesem Augenblick, begehre ich Euch.« In seiner leisen Stimme schwang abgrundtiefe Verzweiflung mit. »Lauft, Ghislaine, lauft und verschließt alle Türen hinter Euch.«
Sie ließ die Hand sinken. Obwohl sie ihn gerne berührt hätte, verzichtete sie darauf. Stattdessen straffte sie die Schultern und sah ihm in die Augen. »Meine Welt ist nicht halb so makellos, wie Ihr glaubt. Ich bin seit über zwanzig Jahren mit einem Schwachsinnigen verheiratet. Ich mühe mich fast ebenso lange vergebens ab, auf Plessis-Fertoc Neuerungen einzuführen. Ich habe viele Männer gehabt, aber den einzigen Mann, den ich jemals geliebt habe, habe ich an eine andere Frau verloren.« Sie machte eine kleine Pause, um die Worte sacken zu lassen und gleichzeitig ihre Bedeutsamkeit zu erhöhen. »Und ich habe einen Bruder, der berühmt dafür ist, fleischliche Gelüste im Rahmen
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