Der Duft der Rose
aussehen können, wenn sie seinerzeit nicht so töricht gewesen wäre, ihrem Herzen zu folgen, statt ihrem Verstand. Sie hätte einen standesgemäßen Mann geheiratet und könnte einem eigenen Haushalt vorstehen. Sie hätte Kinder haben können, und wenn eines von ihnen erkrankt wäre, dann wäre einfach nach dem Arzt geschickt worden, der sich um alles gekümmert hätte. Schlaflose Nächte hätte ihr höchstens die Sitzordnung für das nächste Galadiner verursacht.
Ein sorgenfreies Leben war ihr vorherbestimmt gewesen, aber sie hatte es achtlos weggeworfen. Das war die Wahrheit, der sie ins hämisch grinsende Antlitz sehen musste.
Zu ihrer Erleichterung fand das Diner nicht in einem großen Saal mit unzähligen Menschen statt, sondern in einem kleinen Salon. Der Herzog und sein Sekretär erhoben sich von ihren Plätzen, als sie eintrat. Beide trugen elegante Abendgarderobe und sahen so eindrucksvoll aus, dass sich Sophie bemühen musste, nicht zu zeigen, wie eingeschüchtert sie sich fühlte.
»Mademoiselle d'Asseaux, Ihr seht bezaubernd aus.« Der Herzog kam ihr ein paar Schritte entgegen, griff nach ihren Händen und drückte sie leicht. Sein herzliches Lächeln gab ihr das Gefühl, dass er die Worte ehrlich meinte. »Nehmt Platz.«
»Danke.« Sie setzte sich und blickte sich vorsichtig um. Drei Diener warteten darauf, die Speisen vorlegen zu dürfen. Ein vierter füllte ihr Glas mit Wein.
»Dann wollen wir darauf trinken, dass Ihr hier eine lange, glückliche Zeit verlebt, Mademoiselle d'Asseaux.« Der Herzog hob sein Glas. »Auf Euch, Sophie d'Asseaux.«
Sie erwiderte den Trinkspruch. »Ich danke Euch, Euer Gnaden. Ich kann gar nicht sagen, wie froh mich die Aufnahme hier macht.«
»Dann lasst uns mit dem Mahl beginnen.« Der Herzog gab den Dienern ein Zeichen, und sofort wurden Platten und Schüsseln aufgetragen. Sophie bemühte sich, ihren Hunger nicht zu offensichtlich zu zeigen, um nicht gierig zu erscheinen. Sie ließ sich bereitwillig vom Herzog in eine angeregte Unterhaltung ziehen, sein Sekretär warf nur hin und wieder ein Wort ein. Die Zeit verflog so geschwind, dass Sophie erstaunt war, als der Herzog sich schließlich erhob. »Mademoiselle d'Asseaux, Vincent und ich gesellen uns zu den anderen Gästen. Ich lade Euch ein, uns zu begleiten, falls Ihr nicht zu müde seid.«
»Oh nein, ich bin nicht müde, ganz im Gegenteil, Euer Gnaden.« Sie fühlte sich so wohl, wie schon lange nicht. Alle Erschöpfung war von ihr abgefallen, ihr Magen war angenehm gefüllt, und sie wollte das wunderschöne Seidenkleid einfach noch nicht ausziehen.
Vincent räusperte sich. »Henri, du solltest vielleicht noch erwähnen, welche Art der Zerstreuung unseren Gästen geboten wird, ehe wir uns daran beteiligen.«
Sophie schaute unternehmungslustig von einem zum anderen. Der Herzog legte ihre Hand auf seinen Arm. »Ich bin sicher, dass Mademoiselle d'Asseaux in Italien ganz ähnliche Vergnügungen genossen hat.« In seiner Stimme schwang ein Hauch von Verärgerung mit, aber Vincent hielt dem tadelnden Blick ohne mit der Wimper zu zucken stand. Zwischen den beiden herrschte eine starke Spannung, die unmöglich zu übersehen war. Im Verlauf des Abendessens war Sophie nicht umhin gekommen zu bemerken, dass den Herzog mit seinem Sekretär weit mehr verband als ein schlichtes Dienstverhältnis.
»Eure Worte machen mich neugierig.« Sie lächelte Vincent an. »Ich kann es gar nicht erwarten, mehr zu erfahren.«
»Nun, die heute hier anwesenden Gäste kommen in den Genuss einer Nacht der Aphrodite. Sinnliche Spiele nach Lust und Laune unter der Leitung des Zeremonienmeisters Farid Bejaht. Ihr könnt Euch nach Belieben umsehen. Wenn Ihr nicht aktiv am Geschehen teilnehmen wollt, dann steckt dieses Tüchlein an, und Ihr bleibt eine unbehelligte Zuschauerin.«
Sophie griff nach dem weißen Taschentuch, das der Herzog ihr reichte. Sinnliche Spiele. Das war das Letzte, was sie wollte. Jetzt und in den nächsten zwanzig Jahren. Genau damit hatte ihr Weg ins Verderben angefangen. Mit heißen Küssen, schönen Worten und geschickten Händen, die über ihren Körper glitten und jeden klaren Gedanken verhinderten.
»Danke.« Sie steckte das Tüchlein an ihrem Ausschnitt fest, ohne zu zögern. »Ihr habt recht, in Florenz waren in der Künstlerschicht Orgien aller Art an der Tagesordnung. Den Luxus eines Zeremonienmeisters kannte man jedoch nicht.« Stattdessen war man nach dem Genuss mehrerer Flaschen schweren roten Weins ohne
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