Der Duft der Rose
unerwartete Neuigkeit wird nichts daran ändern. Macht Euch keine Sorgen, gleichgültig, wie es ausgeht.«
Seine Stimme klang aufrichtig. Sophie schlang die Finger ineinander. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm zu glauben. »Danke. Ich werde mich ebenfalls zurückziehen, wenn Ihr erlaubt.«
»Natürlich, wir sehen uns dann beim Diner.« Er deutete eine Verbeugung an und öffnete die Tür für sie.
20
Ghislaine sank aufs Bett. Ihre Hände zitterten vor Anspannung, und sie hoffte, dass niemand ihre Vorstellung durchschaut hatte. Nicht um ihre Verbundenheit mit Belletoile auszudrücken war sie hierher gekommen, sondern weil ihr keine Lösung für ihr Dilemma eingefallen war.
In den Wochen, die Nicholas in Marseilles verbracht hatte, hatte ihr Leib begonnen, täglich ein Stück anzuschwellen. Zumindest kam es ihr so vor. Als Nicholas zurückkam, fühlte sie sich so unförmig, dass sie ihn hinter ihrem Sekretär sitzend empfing. Zwar hatte sie sich zahlreiche schöne Phrasen zurechtgelegt, aber sobald er ihr gegenüberstand, schaffte sie es nicht, auch nur eine einzige davon laut auszusprechen. Also ging sie natürlich auch nicht zu ihm, aus Angst, er würde bemerken, wie es um sie stand. Sie spürte sein Erstaunen über ihr Verhalten, aber er akzeptierte es wortlos und mied fortan alle persönlichen Themen. Es war, als ob er immer damit gerechnet hatte, dass sie seiner irgendwann überdrüssig wurde, und deshalb nicht sonderlich überrascht war.
Mit der Distanz zwischen ihnen wuchs auch Ghislaines Verzweiflung. Sie sehnte sich nach ihm und danach, ihm alles gestehen zu können, aber sie schaffte es nicht. Als sie ihren Zustand vor ihrer Zofe nicht mehr verbergen konnte, beschloss sie, mit ihr nach Belletoile zu gehen und das Kind dort zur Welt zu bringen. Dann würde sie zurückkehren und die Kraft finden, Nicholas reinen Wein einzuschenken und auf sein Verständnis zu hoffen.
Sie hinterließ einen Brief, in dem sie ihm mitteilte, dass sie eine Freundin in Lyon besuchen würde, bei der sie auch die Weihnachtstage verbringen wollte, und dass Jacques sie begleitete. Während ihrer Abwesenheit hatte er als Verwalter freie Hand bei allem. Das Schreiben wurde ihm erst überbracht, als sie das Schloss bereits verlassen hatte.
Sie schämte sich dafür, einfach wegzulaufen, aber sie wusste sich nicht anders zu helfen. Vielleicht würde alles einfacher sein, wenn sie ihm das Kind zeigen konnte, vielleicht würde er ihr dann verzeihen ... vielleicht würde er dann bei ihr bleiben. Das war der wirkliche Grund ihrer Angst und ihres irrationalen Verhaltens. Entgegen ihrer ursprünglichen Absicht wollte sie nicht, dass er ging. Das hatte sie in den vergangenen Wochen klar erkannt. Aber sie wusste nicht, was sie ihm anbieten konnte, damit er blieb.
Dass Henri in der Zwischenzeit begonnen hatte, seinen Plan in die Tat umzusetzen, überraschte sie. Sie hatten regelmäßig korrespondiert, aber davon hatte er nie etwas angedeutet. Doch ebenso wenig hatte sie ihm von ihrem Zustand berichtet.
Mademoiselle d'Asseaux war nicht erfreut gewesen über ihre Ankunft, aber Ghislaine konnte ihr das nicht verdenken. Trotz ihrer Entrüstung über Henris Vorgehensweise wusste sie, dass ihr Bruder sich um die Frau kümmern würde, in deren Leben er so entscheidend eingegriffen hatte. Sie in den folgenden Wochen näher kennenzulernen war eine Herausforderung, der Ghislaine nicht widerstehen würde. Obwohl das Mädchen schüchtern gewirkt hatte, musste sie eine interessante Persönlichkeit besitzen, denn eine Durchschnittsfrau würde an Henris Plan kaum Gefallen gefunden haben. Vielleicht freundeten sie sich sogar an, denn gerade jetzt konnte sie eine Freundin gebrauchen.
Sophie wäre überrascht gewesen, hätte sie Ghislaines Gedankengänge geahnt. Die Angst, von der Schwester des Herzogs geschnitten oder sogar vor die Tür gesetzt zu werden, falls sie nicht guter Hoffnung war, breitete sich mit jedem Atemzug in ihr aus, Henris Worten zum Trotz. Während des Diners schaffte sie es kaum, mehr als ein Wort zu sagen. Es war, als ob eine Schlinge um ihren Hals lag, die entsetzlich langsam zugezogen wurde.
Die anderen vier schwatzten fröhlich über dies und das, und Sophie kam sich wie eine Ausgestoßene vor. Die Verbundenheit des Herzogs mit seiner Schwester war unübersehbar, der Comte wurde mit liebevoller Nachsicht behandelt, und Vincent gefiel die Entwicklung der Dinge offensichtlich sehr, denn er wirkte gelöst und heiter wie schon
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