Der Duft der Rose
nach seinem eigenen Höhepunkt meist einschlief oder sich wieder an die Staffelei oder zu seinen Freunden setzte, blieb ihr nichts übrig, als sich selbst zu befriedigen. Aber in den letzten Jahren hatte sie nicht einmal mehr dazu Lust gehabt. Armut, Hunger, Kälte und die Sorge um die Kinder hatten alle anderen Bedürfnisse unterdrückt.
Sophie wandte sich ab. Sie hatte genug gesehen. Mehr als sie wollte. Es war eine Sache, Farid in seiner Funktion als Zeremonienmeister zuzusehen, aber eine andere, ihn in einem so privaten Moment zu beobachten.
Mit einiger Mühe schob sie den Riegel der Glastür zum Garten zurück und stand kurz darauf im Freien. Sie atmete die kühle, erfrischende Luft tief ein und wanderte entlang der Fassade von einem Flügel zum andern. Die silbergraue Landschaft und die Stille übten eine beruhigende Wirkung auf sie aus. Sie blieb so lange an die Wand neben der Tür gelehnt stehen, bis ihr die Kälte in die Knochen kroch. Dann schlüpfte sie wieder ins Haus und rannte dabei in Farid, der am geschlossenen Flügel der Tür lehnte und ein dünnes Zigarillo in der Hand hielt.
Sie prallte zurück, kam aber nicht umhin, seine warme Brust zu berühren, denn sein Hemd stand offen. Er trug eine seiner orientalischen Hosen und wie üblich keine Schuhe. »Findet Ihr keinen Schlaf, Liebste?«
»Mein Zimmer ist überheizt.« Sie verzichtete darauf, ihn daran zu erinnern, dass sie nicht seine Liebste war, weil sie wusste, dass er nur darauf wartete. Mit hocherhobenem Kopf wollte sie an ihm vorbei, aber seine sanfte Stimme hielt sie zurück.
»Ich habe gehört, dass sich die Probleme des Herzogs ganz von selbst lösen werden.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und drehte sich um. Was sollte sie erwidern? »Die Schwester des Herzogs ist guter Hoffnung, wie Ihr sicher im Verlauf des Abends erfahren habt. Deshalb will er das mit mir getroffene Arrangement vorläufig ruhen lassen.«
Farid inhalierte den parfümierten Tabak und musterte sie lange, ehe er sagte: »Ich nehme an, Ihr seid darüber nicht unglücklich.«
»Ebenso wenig wie Ihr«, gab sie zurück.
Er lächelte, und dieses Lächeln brachte ihren Magen zum Flattern. »Ihr habt genossen, was ich mit Euch gemacht habe, Liebste. Wir sind allein, keiner hört uns, also könnt Ihr Euch den Atem sparen, es zu leugnen.«
Sie warf den Kopf in den Nacken und fixierte einen Punkt hinter ihm. Er war ein eitler, eingebildeter Bastard ... dennoch hatte er recht, und sie brannte darauf, die Ursache dafür zu erfahren. »Aber wie ... wie ist es möglich?«, fragte sie schließlich fast unhörbar.
Er runzelte die Stirn und ließ den Rest des Zigarillos in einer Blumenvase verschwinden, ehe er näher trat. »Habt Ihr vorher noch nie einen Höhepunkt gehabt?«, fragte er leise.
»Doch, schon. Aber ... nicht so ... schnell ... nicht so ...« Sie brach ab und spürte, wie ihre Wangen glühten.
»Heftig?« Er streckte die Hand aus, aber Sophie machte einen Schritt von ihm weg. Also verschränkte er ebenfalls die Arme vor der Brust. Auch seine Stimme klang distanziert. »Jede Frau besitzt Sinnlichkeit, gleichgültig, was behauptet wird. Jede Frau kann Lust empfinden. Gleichgültig, wie sehr Männer das zu leugnen versuchen. Ihr besitzt Leidenschaft und Sinnlichkeit, auch wenn sie von der Asche verkrustet wird, zu der Euer Leben verbrannt ist. Die Situation, die der Herzog geschaffen hat, ließ Euch keine Wahl. Ihr hattet keine Kontrolle mehr, deshalb konntet Ihr Euch fallen lassen.«
Sie überdachte seine Worte und sah ihn neugierig an. »Also hattet Ihr gar nichts damit zu tun?«
Er lachte. »Das würde Euch so gefallen, Liebste. Aber leider muss ich Euch enttäuschen. Ich hatte sehr wohl etwas damit zu tun. Denn an mir lag es, herauszufinden, was Eure Lust wecken würde.« Er beugte sich vor. »Und ich widme mich gerne der weiteren Suche, Liebste.«
»Das wird nicht nötig sein.« Sophie reckte das Kinn. »Ich bin müde und gehe wieder auf mein Zimmer.«
Er verbeugte sich mit der Hand auf dem Herzen. »Wenn Ihr Eure Meinung ändert, dann wisst Ihr, wo Ihr mich findet.«
Sophie ging hocherhobenen Hauptes an ihm vorbei und hoffte, dass er ihren rasenden Herzschlag nicht hörte.
21
Ghislaine blickte auf das Schachbrett, auf dem sich nur noch wenige Figuren befanden. Sie nahm ihren Springer und brachte ihn in Position. »Schach«, sagte sie zufrieden zu Sophie, die an ihrem Daumennagel knabberte, während sie überlegte.
Seit sie Jacques geheiratet
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