Der Duft der roten Akazie
bereits geäußert hatte, würde sich niemand freiwillig dort aufhalten.
Mr Fortune war eine längliche, in eine Decke gehüllte Gestalt. Ella und Eddie verharrten eine Weile unschlüssig und wussten nicht, wie sie weiter vorgehen sollten. Der Wachmann stand träge in der Tür und beobachtete sie.
»Am besten schauen wir ihn uns kurz an«, raunte Eddie. »Spielen Sie Theater.« Er streckte die Hand aus, und als Ella nickte, zog er langsam die Decke über dem Gesicht des Toten weg.
Zum Glück schien Mr Fortune friedlich gestorben zu sein, auch wenn seine Haut eine scheußliche graue Färbung hatte. Sein genaues Alter war schwer zu schätzen. Ella tippte auf Ende vierzig. Da er beinahe kahlköpfig war, schimmerte seine Kopfhaut matt, als habe man sie mit einem Lappen poliert. Als Eddie ihr einen Rippenstoß versetzte, fiel Ella ein, dass das ihr Ehemann sein sollte. Also schlug sie mit einem leisen Aufschrei die Hand vor Augen und wandte sich ab, wie von Trauer überwältigt.
Hinter ihr in einem Bett an der Wand sah sie Adam.
Er lag auf der Seite und hatte ihr den Rücken zugewandt. Offenbar schlief er. Ella zweifelte keinen Moment daran, dass es Adam war, sie erkannte ihn sofort. Sein Oberkörper war nackt bis auf die zahlreichen Bandagen, die fest darum gewickelt waren. Auf seinem Arm, der quer über der Decke ruhte, leuchtete bunt die eintätowierte Meerjungfrau.
Die Hand noch immer vor dem Gesicht, riskierte Ella durch die Finger einen Blick zur Tür. Der Wachmann war hinausgegangen, um eine Pfeife zu rauchen. Die Qualmwolke umhüllte ihn wie ein Umhang. Das war der richtige Moment.
Sie berührte Adam an der nackten Schulter. Seine Haut fühlte sich warm und lebendig an und zuckte leicht unter ihren Fingern. »Adam?«, flüsterte sie. Eddie, der tat, als verabschiede er sich andächtig von seinem toten Bruder, stellte sich zwischen Ella und den Zelteingang, damit der Wachmann sie nicht sehen konnte, falls er sich umdrehen sollte.
Adam stöhnte.
»Adam?«
Er wandte ihr sein Gesicht zu.
Kurz schwankte der Boden unter ihren Füßen, als befände sie sich an Bord eines Segelschiffs. Sein eines Auge war blau und völlig zugeschwollen, das andere blutunterlaufen. Die Platzwunde an der Wange schien seit gestern ein wenig verheilt zu sein. Aber seine Nase war verbeult, und man hatte versäumt, das getrocknete Blut abzuwischen. Seine Unterlippe sah stark geschwollen aus, und am Kinn prangte ein dicker Bluterguss. Obwohl Ella im Herzen wusste, dass es Adam war, wirkte er für einen Augenblick wie ein Fremder.
Eddie räusperte sich. Ella brachte keinen Ton heraus, und die Tränen raubten ihr die Sicht. Sie streckte die Hand aus, um sein Gesicht zu berühren, befürchtete aber, ihm wehzutun. Während ihre Hand in der Luft schwebte, griff er danach. Seine Finger zitterten, und ihn, der sonst immer so stark war, derart geschwächt zu erleben war mehr, als sie ertragen konnte.
»Oh Adam, was hat er mit dir gemacht?«
Er versuchte zu lächeln, verzichtete aber lieber darauf. »Anscheinend hat ihm meine Visage nicht gefallen.«
Sanft legte sie die andere Hand auf seine Wange. »Hast du große Schmerzen?«
»Ja«, erwiderte er knapp und mit einer seltsam belegten Stimme, die ihr ebenso wenig vertraut war wie sein Gesicht.
»Moggs lässt dich bewachen. Weißt du noch, was passiert ist?«
Er seufzte. »Gut genug.«
»Wir haben einen Plan, wie wir dich befreien können.«
Sein nicht zugeschwollenes Auge starrte sie an, und kurz blitzte der Adam, den sie kannte, darin auf. Dann fiel sein Blick auf Eddie. »Wie kommt er hierher?«
»Ihre Frau hat meine Kaution bezahlt«, antwortete dieser, fast ohne die Lippen zu bewegen.
»Ich möchte zu Mr Gilbert gehen«, stieß Ella atemlos hervor. »Er soll erfahren, was Moggs getan hat.«
Adam versuchte, den Kopf zu schütteln. »Nein.«
»Ja«, flüsterte Ella zornig.
Aber Adam sah sie finster an. »Nein. Moggs ist noch nicht fertig mit mir. Er will, dass ich unter Bewachung bleibe, während er sich auf die Suche nach Morris macht. Er plant, mich wegen Mordes oder wenigstens wegen Straßenraubs dranzukriegen. Ich muss hier raus, und zwar sofort. Wie lautet dein Plan?«
Es war still im Lazarett. Die Patienten schliefen oder lagen elend in ihren Betten. Der Pfleger hatte sich auf einem Stuhl im hinteren Teil des Zelts niedergelassen und war eingenickt. Inzwischen hatte David Jardines Pferd und Wagen geholt. Eddie ging zur Tür, um ihm zu helfen, während Ella still an Mr
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