Der Duft der roten Akazie
Decke hervorlugten, als das Pferd weggeführt wurde.
Sie fragte nicht nach, wo er versteckt werden sollte, denn sie wollte nicht, dass die Albträume, die sie sicher in den nächsten Wochen und Jahren plagen würden, noch Zuwachs bekamen.
Paddys dunkles, schmutziges Gesicht wirkte im Licht des Feuers gespenstisch. Der kleine Mann schien um Jahre gealtert. Ella hatte Mitleid mit ihm. Lieutenant Moggs’ Groll hatte Adam und ihr gegolten, nicht Paddy. Und nun hatten sie ihn in die Sache hineingezogen.
»Bald sind wir fort«, versuchte sie, ihn zu trösten. »Dann hast du dein Lager wieder für dich, Paddy. Keine Aufregung mehr.«
Obwohl ihr Lächeln bemüht war, schien es zu wirken. »Ich bin es gewohnt, allein zu sein«, murmelte er. »Ohne Mikey. Er ist tot, oder?«
Seine dunklen Augen waren klar und blickten sie eindringlich an. Ella wollte eigentlich lügen, stellte jedoch fest, dass sie es nicht übers Herz brachte. »Ja, Paddy, ich glaube schon.«
Der kleine Mann nickte.
»Warst du lange mit Mikey befreundet?«, fragte Ella, um sich von dem abzulenken, was Adam gerade tat.
Er grinste sie an. »Er war mein Schwager, junge Frau. Ich war mit seiner Schwester verheiratet.«
Ella konnte ihre Überraschung nicht verbergen. Paddy kicherte, als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte.
»Du glaubst mir nicht, was? Nun, ich war wirklich einmal verheiratet. Sie hatte Haare wie der Mond, so wie du. Fein und weich und hell. Wie die zarteste Seide unter meinen Fingern. Sie ist gestorben.«
Er wandte sich ab, und sie spürte seinen Schmerz und seine Einsamkeit.
»Danach habe ich mit Mikey zusammengewohnt. Manchmal war es, als wäre ich mit ihm verheiratet.« Er kicherte. »Mikey hörte von dem Goldrausch und hatte die Idee, hierherzukommen und ein Vermögen zu verdienen. Also haben wir eine Deckspassage auf einem Schiff gebucht, in dem das Wasser höher stand als draußen auf dem Meer, und sind nach Victoria gefahren. Und nun ist Mikey tot, und ich bin allein.«
»Du hast Eddie«, wandte sie ein.
Ein Scheit rutschte tiefer ins Feuer, sodass dieses aufloderte und eine Rauchwolke Funken in den schwarzen Himmel hinauftrug. Paddy sah Ella aufmerksam an. »Eddies Frau hat dunkles Haar, schwarzes Haar, genauso wie ihr Herz. Ganz anders als du, junge Frau.« Er stand auf. Ella betrachtete ihn ängstlich, als er näher kam. Dicht vor ihr blieb er stehen und musterte sie, während in ihr Mitleid mit Widerwillen kämpfte.
»Darf ich dein Haar berühren, junge Frau? Gewährst du mir diese Gunst?«
Ella starrte ihn an und musterte das strähnige blonde Haar, den Bart und die mit Schmutz verkrusteten Poren seiner Haut. Sie wollte nicht von ihm angefasst werden. Allein die Vorstellung war unerträglich. Und dann sah sie die Träne. Sie rann ihm aus dem Augenwinkel über die Wange und hinterließ eine helle Spur im Dreck. Wieder blickte sie ihn an und erkannte hinter der Fassade des Einsiedlers den zerbrochenen Menschen, der sich dahinter verbarg.
»Ja«, flüsterte sie. »Du darfst mein Haar berühren, Paddy.«
Paddy streckte die zitternde Hand aus und streifte ihr Haar. Ella schloss die Augen und spürte, wie seine Finger sanft die seidigen Strähnen streichelten. Im nächsten Moment hörte sie einen Seufzer, der aus tiefster Seele aufzusteigen schien. »Wie der Mond«, raunte er.
Als Ella die Augen wieder aufschlug, stellte sie fest, dass eine zweite Träne hinzugekommen war.
Die Männer kehrten erst lang nach Mitternacht zurück. Da Adam völlig erschöpft war, sorgte Ella dafür, dass er sich ins Zelt legte, während Eddie, Hans und Paddy sich ans Feuer setzten und sich leise unterhielten. Offenbar waren sie der Ansicht, dass es eine Weile dauern würde, bis man Moggs’ Leiche fand. Ella und Adam würden dann längst über alle Berge sein.
»Haltet euch in Richtung Kilmore«, erklärte ihr Eddie. »So könnt ihr die Hauptstraße meiden. Und lasst euch Zeit. Adam ist noch nicht in der Lage, schnell zu reiten.«
»Ja.«
»Pass auf ihn auf«, fügte er mit einem schiefen Lächeln hinzu. »Und auf dich.« Er wirkte, als sei er in dieser Nacht um zehn Jahre gealtert.
»Du auch, Eddie. Und vielen Dank. Ich danke euch allen für eure Hilfe.« Ihr müdes Lächeln schloss Hans und Paddy ein.
Eddies Miene wurde ernst. »Du bist auf dich allein gestellt, Ella. Da Adam verletzt ist, hängt alles von dir ab.«
»Wir werden es schaffen«, erwiderte Ella selbstbewusst und klemmte ihre zitternden Hände zwischen die in der
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