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Der Duft der roten Akazie

Der Duft der roten Akazie

Titel: Der Duft der roten Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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zwischen den Häusern erhaschen, aus denen ihnen Gesichter entgegenblickten wie Ratten, die auf die Nacht warteten. Dieser Teil von Sydney unterschied sich sehr vom Hafen und der George Street mit ihrem Lärm und Trubel. Das war Sydneys altes Gesicht, ein Stück Erinnerung an eine düstere Vergangenheit.
    »Wo sind wir?«, fragte Ella verwirrt.
    Nancy lächelte. »Das sind die Rocks, gnädige Frau.«
    Ella starrte sie an. »Ich habe geglaubt, ihr bringt mich nach Hause.«
    Nancy schnaubte ob ihrer Arglosigkeit. »Hast du wirklich angenommen, dass wir bei Ollie McLeod hereinspazieren und dich einfach abliefern? Bevor wir dich in seine Nähe lassen, sichern wir uns zuerst die Belohnung.«
    Natürlich! Es hätte ihr klar sein müssen, dass sie sie verstecken würden, bis das Geschäft abgeschlossen war. Nancy traute niemandem und würde sich die Zeit nehmen, so viel Geld wie möglich herauszuschlagen, bevor sie Ella ihrem Ehemann übergab.
    Dann konnte Adam doch noch rechtzeitig eintreffen! Dieser Gedanke überfiel sie mit einer solchen Heftigkeit, dass die anderen es sicher gemerkt hatten. In drei Tagen würde in Melbourne das nächste Schiff nach Sydney in See stechen, hatten sie gesagt. Sie gestattete sich nicht, über die Launen des Wetters nachzugrübeln. Wenn sie drei Tage abwartete, hatte Adam eine Möglichkeit, sie zu finden.
    Nancy Ure beobachtete sie.
    Ängstlich fragte sich Ella, ob Nancy wohl ihre Gedanken lesen konnte. Dieser Frau war alles zuzutrauen. Also setzte sie eine möglichst ausdruckslose Miene auf.
    »Sieht es in den Rocks überall so aus?«, erkundigte sie sich ein wenig atemlos.
    Nancy wandte sich mit einem höhnischen Lachen ab. Offenbar störte es sie nicht, wie heruntergekommen die Gegend war.
    Eben kramte eine weitere Zigarre aus der Tasche. »Nicht überall. Die Reichen sind weiter den Hügel hinaufgezogen. Aber täusch dich nicht. Es gibt Straßen, die man nachts selbst in Begleitung eines bewaffneten Wachmanns meiden sollte. Also glaub nicht, du könntest einen Spaziergang machen und allein nach Hause finden. Du würdest nicht lebend ankommen.«
    Die Droschke wurde langsamer und bog um eine weitere Ecke. Ella erkannte eine Hütte, die über ihnen auf einem Felsvorsprung stand und wirkte, als würde sie jeden Moment hinunterkippen. Schmutzige Kinder rannten kreischend an ihnen vorbei und verschwanden in einem schäbigen Haus.
    Inzwischen hatte die Droschke die Kurve hinter sich. Sie befanden sich in einer schmalen Gasse, die an einer steinernen Treppe endete. Der Kutscher zügelte die Pferde. »Hier wären wir, Sir!«, rief er. »Das Shipwreck. Ich hätte Sie ja nicht hergefahren, wenn Sie kein Gentleman wären. Eine schreckliche Absteige und sicher nichts für die Damen. Soll ich warten?«
    Nancy lachte auf. »Ein Gentleman!«, kicherte sie. »Aber zumindest mussten wir in diesem Dreck nicht zu Fuß gehen.«
    Eben grinste ihr zu und half ihr beim Aussteigen. »Nein, mein Junge, Sie brauchen nicht zu warten. Hier, ich lege für Ihre Bemühungen etwas drauf. Wenn Sie das Gepäck tragen, gibt es noch eine Guinee.« Nancy verdrehte die Augen, als er ihr die Hand hinhielt. Als Ella ihr folgte, bemerkte sie sofort, was Nancy mit Dreck gemeint hatte. Die Straße war zwar gepflastert, doch der in der Mitte verlaufende Rinnstein erfüllte seine Zwecke eindeutig nicht. An den Hauswänden zu beiden Seiten türmte sich der Unrat, den der Regen zu unregelmäßigen Haufen zusammengespült hatte. Allerdings hatte er gegen den Geruch nichts ausrichten können. Ella rümpfte die Nase. Es stank nach Feuchtigkeit, Moder und abgestandenem Urin.
    Entschlossen drehte Ella sich zur Treppe um. Das Shipwreck Inn. Sie stellte fest, dass es nur über die Stufen zu erreichen war, denn der zweistöckige Gasthof war in etwa zehn Metern Höhe in das Felsgestein gesetzt worden. Da es aus den gleichen Steinen bestand wie seine Umgebung, wirkte es, als sei es aus der Wand herausgewachsen.
    Schmale Fenster aus verzogenem Glas, in denen sich der wolkige Himmel spiegelte, spähten zu ihnen hinunter. Das einzige Lebenszeichen waren die wenigen Wäschestücke, die schlaff an dem einzigen Balkon hingen. Der Name des Lokals stand in großen Buchstaben über der Tür: The Shipwreck.
    Gleichzeitig fasziniert und erschrocken, ließ Ella das Gebäude auf sich wirken. Eben stieg bereits die Treppe hinauf, während der Kutscher nach Nancys Anweisungen das Gepäck ablud. Ella eilte Eben nach.
    »Warum müssen wir da übernachten?«,

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