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Der Duft der roten Akazie

Der Duft der roten Akazie

Titel: Der Duft der roten Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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Verderbtheit.
    Hier also war Adam aufgewachsen. Seine Jugendjahre hatte er in Kaschemmen wie dieser verbracht. Doch anders als bei Eben war die Umgebung nicht in seine Seele eingesickert. Er hatte sich über das Elend erhoben, zum Teil dank seiner Mutter, zum Teil durch schiere Willenskraft.
    Ellas Blick wanderte vom Straßengewirr der Rocks und über die eingesackten Dächer hinweg zum Hafen. Ankernde Schiffe schaukelten auf dem Wasser. Am Circular Quai herrschte Trubel. Sie schaute weiter zum schimmernden Wasser hinaus. Über den Busch am abgelegenen Nordufer und vorbei an Pinchgut und Garden Islands zum offenen Meer. Aus dieser Richtung würde Adam kommen. Wenn er kam. Falls er kam …
    »Packt sie! Packt sie!« Die Stimme war laut und zornig. Die beiden Männer hielten sie an den Armen fest und schleppten sie die Böschung hinunter zum Wasser. Sie schrie und trat mit nackten Füßen nach ihnen. Sie hatte unterwegs die Schuhe verloren, als sie und Ned versuchten, den Straßenräubern zu Pferde zu entkommen. Die Männer hatten ihnen auf der Straße nach Melbourne aufgelauert. Ned stürzte sich auf sie und schlug schreiend auf sie ein. Sie ließen Ella los, um ihn zu bearbeiten. Einer von ihnen holte mit der Pistole aus, und ein Knacken ertönte.
    Dann war alles still.
    »Du hast Ned getötet«, flüsterte der jüngere Mann. »Ned sollte nicht sterben, sondern entkommen, damit er allen erzählen kann, was Mrs McLeod zustoßen ist. Wie soll er das jetzt noch machen?«
    Der andere Mann zuckte die Achseln. Seine Augen in dem jungen Gesicht wirkten bereits alt. »Zu spät. Komm, wir wollen die Leiche beseitigen.«
    Voller Entsetzen und wie betäubt von der Szene, die sie gerade beobachtet hatte, kauerte Ella auf der Böschung. Sie hatten Ned umgebracht. Allerdings stimmte etwas an diesem grausigen Vorfall nicht. Es handelte sich nicht um einen zufälligen Raubmord. Die Sache war geplant. Und diese Männer kamen von Lochlyn.
    Sie sah, wie sie Neds Leiche hochhoben und sie weit ins Wasser hineinschleuderten. Das Aufklatschen war wie ein Schlag, der Ella aus ihrer Erstarrung riss. Sie sprang auf und rannte los. Der Schlamm schmatzte zwischen ihren Zehen.
    Obwohl sie keine Chance hatte, lief sie, so schnell sie konnte. Die Männer machten sich an die Verfolgung und holten rasch auf. Als sie Ella gerade erreicht hatten, stolperte sie und fiel auf die Knie. Das rettete ihr das Leben, denn die Pistole, die einer der Mörder hob, glitt an ihrer Schläfe ab, anstatt ihr den Schädel zu zerschmettern. Ella stürzte, und alles wurde schwarz.
    Auf dem Pfad näherte sich Hufgetrappel. Aber Ella hörte es nicht. Sie sah nicht, dass die Männer sie in ihrer Angst vor Entdeckung achtlos zurückließen. Sie war wieder ein Kind und lief durch den dunklen Wald.
    Verwirrt von dem Traum, wachte Ella auf. Ihr Körper schmerzte von den harten Dielenbrettern. Sie hatte auf die stinkende Matratze verzichtet und sich mit den Decken auf den Boden gelegt. Die waren zwar ebenfalls schmutzig, aber nicht so dreckstarrend wie das Bett. Wenigstens hoffte sie das.
    Sie hatte geträumt, doch wie schon so oft war der Inhalt sofort verflogen, und nur ein Gefühl von Erschöpfung und Niedergeschlagenheit blieb zurück.
    Draußen, vor dem Fenster ihrer kleinen Welt, war es kurz vor Sonnenuntergang. Während sie geschlafen hatte, war der Nachmittag verstrichen, und es wurde rasch dunkel. Die Gasse war unbeleuchtet, obwohl Ella sich sicher schien, in der George Street Gaslaternen gesehen zu haben. Vermutlich hielt man bei den für solche Dinge zuständigen Stellen Laternen in dieser Gasse für überflüssig.
    Mit zunehmender Dunkelheit drangen die Geräusche von Prügeleien und Handgemengen aus den Straßen herauf. Eine Frau schrie. Im unteren Stockwerk herrschte Stimmengewirr. Eine Fiedel jaulte, und Ella hörte das schwere Stampfen tanzender Füße. Ella fragte sich, ob Nancy und Eben wohl auch dort waren und sich amüsierten. Bisher hatte noch niemand nach ihr gesehen, ihr etwas zu essen gebracht oder sich nach ihrem Befinden erkundigt.
    Sie hatten sie vergessen.
    Ella dachte an Adam draußen auf dem Meer. Der Wind heulte in den Segeln, und die Wellen schlugen gegen den Rumpf. Er würde kommen, das wusste sie genau. Sie war sich dessen ebenso sicher wie der Tatsache, dass morgen wieder die Sonne aufgehen würde. Immerhin hatte er zwei Gründe: Er liebte Ella, und er hasste Ollie McLeod.
    Die Nacht erschien ihr sehr lang. Lebewesen huschten über den Boden

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