Der Duft der roten Akazie
Oliver McLeod gewesen? Rückte der Moment ihrer Freilassung näher? Allerdings schien Ollie McLeod ein gerissener Bursche zu sein. So wild Eben sich auch gebärden mochte, war er ihm sicher nicht gewachsen. Sie hatte den Verdacht, dass Ollie McLeod ihn in der Luft zerreißen würde. Eigentlich hätte dieser Gedanke sie beruhigen sollen, da das bedeutete, dass sie dem Shipwreck früher den Rücken kehren konnte. Und dennoch hatte sie eindeutig ein mulmiges Gefühl.
Lange Zeit stand sie am Fenster und blickte hinaus. Heftiger Regen prasselte auf das Dach des Gasthofs, und der peitschende Wind ließ seine Mauern ächzend erbeben. Im Hafen war das Wasser aufgewühlt, und die vor Anker liegenden Schiffe schwankten.
Als das Unwetter kurz nachließ, eilte eine Frau in einem dünnen Kleid und schweren Stiefeln über die Gasse und verschwand in einem der Häuser. Zwei Seeleute stiegen die Stufen zum Shipwreck hinauf und kehrten nicht mehr zurück. »Da sind Sie im falschen Lokal gelandet, meine Herren«, murmelte Ella. Jacko würde sich beim Anblick solcher Gäste die Hände reiben.
Es hörte auf zu regnen, und die Sonne schien fahl vom Himmel. Überall auf der Gasse funkelte Wasser. Ein Mann stand im Schatten der Mauer. Während Ella ihn beobachtete, bemerkte sie, dass sich ein Stück die Gasse hinauf etwas bewegte. Eben kehrte zurück, und zwar in Begleitung eines Dieners, der eine grobe, schlecht sitzende Jacke und eine Mütze trug. Ella stellte fest, dass die beiden die Stufen zum Shipwreck hinaufgingen.
Was soll das?, dachte sie. War das der Empfang, den ein Mann seiner verschollenen Ehefrau bereitete? Wollte Ollie McLeod sie so zu Hause willkommen heißen?
Nancy hatte zornig die Stimme erhoben. »Sie sehen? Warum wollen Sie sie sehen? Wir fordern zuerst unser Geld.«
Eben brummelte beruhigend.
»Du hättest die Besichtigung anderswo veranstalten sollen«, fuhr Nancy fort. Inzwischen war ihr Tonfall nicht nur wütend, sondern verächtlich. »Bist du denn völlig verblödet? Am besten wäre ich selbst hingegangen.«
Sie kamen näher.
Die herabhängenden Hände zu Fäusten geballt, wandte Ella sich zur Tür um. Sie öffnete sich, und Nancy stürmte herein. Ihr Gesicht war gerötet, und ihre schwarzen Augen blitzten. Sie packte Ella so fest am Arm, dass es schmerzte.
»Da ist sie«, verkündete sie. »Schauen Sie sie sich gut an. Denn eine zweite Gelegenheit haben Sie nicht, wenn wir unser Geld nicht kriegen.«
»Nancy.« Eben verharrte im Schatten des Türbogens wie ein großer Bär. Doch nicht er war es, der Ellas Aufmerksamkeit anzog. Sie musterte den Mann in der derben Jacke. Den Diener. Inzwischen hatte er die Mütze abgenommen. Sein dunkles Haar war grau meliert. Etwas an seiner Haltung und seinem Betragen ließ ihn nicht wie einen Diener wirken, wäre seine Kleidung nicht gewesen.
Er fixierte sie mit seinen Augen, denen nichts zu entnehmen war. Das lange, attraktive Gesicht wies um den Mund herum tiefe Falten auf. Sie konnte ihn sich nicht lächelnd vorstellen. Seine zusammengepressten Lippen strahlten Grausamkeit aus. Ella stockte der Atem. Der Raum begann sich zu drehen.
Nancy rüttelte sie grob am Arm. »Nun, ist sie es?«, rief sie ungeduldig. »Ist das Eleanor McLeod?«
Die hellen Augen des Mannes leuchteten auf, aber seiner Stimme war keine Gefühlsregung anzuhören. »Sie ist es. Ich nehme sie mit.«
Nancy lachte auf. »Da irren Sie sich. Zuerst unser Geld, dann können Sie sie abholen.«
Eben räusperte sich zögernd. »Du verstehst nicht ganz, Nancy«, begann er. Er sah den Mann an, wandte sich jedoch wieder ab, als könne er seinem Blick nicht standhalten. Erschrocken stellte Ella fest, dass Eben große Angst hatte.
»Ich verstehe ganz richtig«, entgegnete Nancy. »Eben bleibt hier, und ich begleite Sie. Und keine Tricks, sonst bricht Eben ihr das Genick, und Sie kriegen sie nie zurück. Er ist ziemlich stark.«
Der Mann sah sie erstaunt an und lachte dann höhnisch.
Ella wich zu Nancy zurück, denn der Raum erschien ihr plötzlich zu klein. Die Luft war stickig geworden. »Ich komme nicht mit dir«, sagte sie mit zitternder Stimme.
Ollie McLeod lächelte sie eiskalt an. »Das ist das zweite Mal, dass ich für dich bezahle, Frau. Und sicherlich das letzte.«
Aufmerksam schaute Nancy zwischen den beiden hin und her. »Also ist er es selbst?«, wandte sie sich an Eben. »Warum hast du mir das nicht verraten?«
Eben scharrte verlegen mit den Füßen. »Er wollte es nicht.«
Nancy
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