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Der Duft der roten Akazie

Der Duft der roten Akazie

Titel: Der Duft der roten Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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bringe sie nach Melbourne, wo sie zu Hause ist.«
    »Oh, das tut mir leid.«
    Sie hatte wirklich Mitleid. Mit Mina – und mit sich selbst. Ein Erlebnis wie dieses führte ihr wieder deutlich vor Augen, dass sie ohne Geld und ohne Familie völlig schutzlos war. Wie die arme Mina hatte sie niemanden mehr.
    Die Wucht dieser Erkenntnis ließ sie schaudern. Dann jedoch fiel ihr der fürsorgliche Bruder ein, der Mina weggeführt hatte, und sie musste an Adam denken. Allein der Klang seines Namens war wie eine Art Talisman, der sie vor ihrer dunklen Vergangenheit und ihrer ungewissen Zukunft schützte. Adam mochte ein Fremder sein, doch im Moment war er alles, was sie hatte.
    Sie stellte fest, dass er sich durch die betrunkene Menschenmenge schob, als hätte ihn ihr Nachdenken über seine Person herbeigerufen. Wolf folgte ihm auf den Fersen. Noch ehe er zu sprechen begann, erkannte sie an seiner Miene, dass er keine guten Nachrichten brachte.
    »Betten gibt es nur für Mitglieder des Königshauses.«
    »Und was machen wir nun?«, flüsterte Ella entsetzt.
    Adam seufzte auf und zwang sich zu einem spöttischen Lächeln. »Wir schlagen unser Lager auf, Mrs Seaton.«
    Ella, die sich so auf ein Federbett gefreut hatte, schluckte. »Ich muss trotzdem mit dem Hoteldirektor sprechen«, erwiderte sie verzweifelt. »Vielleicht kennt mich jemand oder erinnert sich an mich. Ich könnte eine Nacht hier verbracht haben.«
    Adam zögerte, und sie sah den Zweifel in seinen Augen. Plötzlich wurde ihr klar, dass er zögerte, um sie zu schonen, nicht um ihr Steine in den Weg zu legen. Er wollte nicht, dass sie sich falsche Hoffnungen machte und dann enttäuscht wurde. »Ich muss es herausfinden«, beharrte sie. »Wenn Sie nicht mitkommen, gehe ich eben allein.«
    Adam nickte schicksalsergeben. »Ich begleite Sie«, meinte er und half ihr vom Karren. »Benützen Sie ihre Ellbogen«, riet er ihr noch, während sie sich zur Tür durchdrängten. »Und falls das nichts nützt, treten Sie zu.«
    Im Schankraum stürmten unzählige Eindrücke auf Ella ein. Der Geruch nach Bier, Brandy und Schweiß raubte ihr den Atem, während ihr von dem lauten Stimmengewirr die Ohren klingelten. Dazu noch die drangvolle Enge … Wenn sie nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, dass sich so viele betrunkene Goldgräber in einen Raum zwängen konnten, sie hätte es nicht geglaubt. Sie war froh, dass Adam voranging, sodass sie sich auf dem Weg durch das Gewühl an seine Fersen heften konnte.
    Endlich hatten sie den Tresen erreicht. Adam beugte sich darüber und berührte den Wirt am Arm. Der Mann wirbelte herum und wollte schon mit der Faust ausholen, änderte bei Ellas Anblick jedoch seine Meinung.
    Den Radau überschreiend, schilderte Adam kurz die Situation. Der Mann musterte Ella eingehend, und sie wartete mit angehaltenem Atem, ob er sie erkennen würde. Aber er schüttelte den Kopf. »Ich habe sie noch nie gesehen«, verkündete er. Er drehte sich um und rief etwas durch eine Tür hinter dem Tresen.
    Kurz darauf erschien eine Frau mit vom Küchenfeuer gerötetem Gesicht. Nachdem sie Ella ebenfalls betrachtet hatte, erfolgte die gleiche Antwort. »Tut mir leid«, murmelte sie. Sie zögerte, da sie Ellas Verzweiflung offenbar spürte. Ella beobachtete sie und wagte kaum Luft zu holen. Im nächsten Moment erkannte sie, dass die Zweifel im Blick der Frau von Gleichgültigkeit abgelöst wurden. Ellas missliche Lage ging sie nichts an, denn sie hatte ihre eigenen Schwierigkeiten. Sie drehte sich rasch um, sodass eine Mehlwolke aus ihrem Rock aufstieg, und verschwand.
    Ella wurde von einem plötzlichen Gefühl der Einsamkeit überwältigt. Niemand wusste, wer sie war, oder wollte sich mit ihr belasten. Kaum bemerkte sie, dass Adam sie mit seinen Armen schützte und sie mehr oder weniger nach draußen trug. »Offenbar sind Sie nie hier gewesen, Cinderella«, keuchte er.
    »Nein«, flüsterte sie bedrückt.
    Adam tätschelte ihr die Schulter. »Kopf hoch, Mrs Seaton. Es wird sich eine Lösung finden.«
    Ella versuchte zu lächeln, musste aber an die im Stich gelassene Mina und ihren wilden, leeren Blick denken.
    »Bess wird morgen früh beschlagen«, fügte Adam hinzu. »Dann können wir weiterfahren. Wenigstens ist die Straße frei.«
    Ella schwieg.
    »Zwischen hier und Bendigo gibt es noch viele andere Gasthöfe«, sagte Adam tröstend. »Wir geben nicht auf. Irgendjemand muss sich an Sie erinnern, Mrs Seaton.« Er nahm sie am Arm und führte sie zurück zum Karren.

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