Der Duft der roten Akazie
sie Ihnen nicht helfen können, fahren Sie weiter nach Bendigo und wenden sich dort an den Hochkommissar. Der wird wissen, was zu tun ist.«
Sie fragte sich, wie er sich in einer Situation wie dieser Sorgen um sie machen konnte. »Hier.« Er drückte ihr einen rauen Stoffbeutel in die Hand, durch den sich Münzen abzeichneten.
»Ich kann nicht«, stieß sie hervor und wollte ihn zurückgeben, aber er schloss ihre Finger darum.
»Ich habe keine Familie, das heißt, keine Ehefrau. Außerdem habe ich versprochen, Sie in Sicherheit zu bringen, und daran werde ich mich auch halten.«
»Sie waren so gut zu mir.« Ihre Stimme zitterte. »Und nun landen Sie wegen Ihrer Hilfsbereitschaft im Gefängnis.«
Im nächsten Moment zog er sie an sich. Sie spürte die warme nackte Haut seiner Arme und streckte die Hände aus, um ihn wegzuschieben. Doch stattdessen hielt sie ihn fest. Sein Haar kitzelte sie an der Nase, und seine Bartstoppeln kratzten.
»Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Mrs Seaton«, flüsterte er sanft.
Die Tür prallte so heftig gegen die Wand, dass ein Stück abbrach. Ella schrie auf. Schwere Stiefel polterten ins Zimmer. Der Schein einer Lampe malte gespenstische Schatten von Männern an Wände und Decken. Im Nebenzimmer herrschte der gleiche Radau, als tobe eine Rinderherde zwischen Nancys Schätzen herum.
Adam sprang auf. Sein Haar war zerzaust, und seine nackte Brust schimmerte. Ella stellte fest, dass er nur seine Hose trug. Die Männer waren zu viert, drei in Zivil, einer in Polizeiuniform. Ella erschienen sie wie Riesen.
»Name, Sir!«, herrschte einer von ihnen Adam barsch an. Ella versteckte sich hinter der Bettdecke wie hinter einem Schild.
»Was zum …«, begann Adam.
Doch die Männer ließen sich davon nicht beeindrucken. »Festnehmen«, befahl der Polizist, worauf zwei der Männer Adam packten und ihn durchs Zimmer schleppten. Er wehrte sich zwar, aber die Gegner waren in der Überzahl.
»Was zum Teufel ist hier los?«, fragte er. »Sie können nicht einfach in Mrs Seatons Zimmer …«
Draußen auf dem Flur näherten sich weitere Schritte. Das Gesicht eines Mannes schwebte wie ein bleicher Mond im dunklen Türbogen. »Der Vogel ist ausgeflogen«, meldete er und verdrehte die Augen. »Offenbar hat er die Frau mitgenommen. Der Lieutenant hat sich solche Mühe gemacht, nur um einen leeren Gasthof zu umzingeln.«
Schweigen entstand. Ella warf einen Blick auf Adam, der seinerseits die Polizisten beobachtete.
»Wie konnte er nur entkommen? Gehen Sie ihn suchen. Vielleicht versteckt er sich ja irgendwo«, wurde aus dem Nebenzimmer gerufen. Die Männer zuckten zusammen, und die Polizisten traten unschlüssig von einem Fuß auf den anderen. Zielstrebige schnelle Schritte erklangen auf dem Flur, und ein Mann erschien.
Auch er war uniformiert, sein Gesicht war rot vor Zorn, und die Haare standen ihm zu Berge, als hätte er sie sich gerauft. Ella starrte ihn an. Es war Lieutenant Moggs aus Carlsruhe.
»Na, wen haben wir denn da?«, fragte er im herablassenden Ton eines Mannes, der eine sofortige Antwort erwartete. Sein Blick schweifte durch den Raum, während sein Untergebener stammelte, dass Adam Widerstand geleistet habe. »Ja, schon gut«, zischte Moggs ungeduldig. Als er Ella bemerkte, näherte er sich dem Bett, ragte hoch über ihr auf und musterte sie mit finsterer Miene. Ella schaute zu ihm empor. Sie fühlte sich wie ein in die Enge getriebenes Tier.
»Ich kenne Sie, richtig?« Seine Stimme klang scharf wie der Knall einer Pistole.
Ella hatte den Eindruck, dass es plötzlich totenstill im Raum wurde. »Ja«, flüsterte sie.
»Name?«
»Das ist Mrs Seaton«, entgegnete Adam, dem es endlich gelungen war, sich von den beiden Polizisten loszureißen.
Dem Lieutenant schien ein Licht aufzugehen. »Jetzt erinnere ich mich. Sie haben das Polizeirevier in Carlsruhe aufgesucht, in Lumpen und von oben bis unten voller Schmutz. Und als ich Ihnen anbot, Sie nach Melbourne zu bringen, haben Sie die Gesellschaft dieses Burschen vorgezogen.« Er wies mit dem Kopf auf Adam, eine ausgesprochen abfällige Geste, die mehr sagte als alle Worte.
Nun hatte Ella endgültig genug von seinen Schmähungen, seinem Verhalten und davon, wie er die Wahrheit verdrehte. Die Wut überkam sie mit solcher Wucht, dass ihre Angst auf einmal wie weggeblasen war.
Mit blitzenden Augen richtete sie sich auf, ohne sich in ihrem Zorn darum zu kümmern, dass es sich nicht schickte, sich vor fremden Männern im
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