Der Duft der roten Akazie
gar nicht glauben.«
Es war wirklich schwer vorstellbar, dass die Goldfelder von Bendigo vor nicht allzu langer Zeit wegen Wassermangels beinahe verlassen gewesen waren. Das Regierungslager war nach Bullock Creek übergesiedelt, bis der Regen eine Rückkehr möglich gemacht hatte.
Mrs Jardine erklärte weiter, dass jeden Tag unzählige Goldgräber einträfen, die auch am Goldrausch teilhaben wollten. »Naughton grinst übers ganze Gesicht«, fügte sie spöttisch hinzu.
»Naughton?«
»Naughton Jardine, mein Mann. Und dabei ist er eigentlich kein Witzbold, sondern ein ernsthafter Geschäftsmann. Sie würden gar nicht glauben, wie gefragt heißer Kaffee im Midnight Gully ist.« Wieder zwinkerte sie Ella zu.
»Offenbar haben Sie viel Kundschaft, Mrs Jardine.«
Inzwischen musterten die kleinen schwarzen Augen sie mit unverhohlener Neugier. »Warum sind Sie mit den beiden da draußen unterwegs? Sie passen irgendwie nicht dazu.«
Kurz schoss Ella durch den Kopf, dass sie Mrs Jardine früher einmal als aufdringlich empfunden hätte. Doch diese Tage waren vorbei. Lächelnd schilderte sie Mrs Jardine ihre kurze, aber abenteuerliche Geschichte, wobei sie ihre Begegnungen mit Eben, Mrs Ure und Lieutenant Moggs unter den Tisch fallen ließ. Die dicke Frau lauschte gebannt und unterbrach sie nur, um sich nach dem Aussehen von Ned, dem Diener, zu erkundigen.
»Ich glaube, den habe ich irgendwo getroffen ? Ned, meine ich«, erwiderte Mrs Jardine nachdenklich. »In unser Lokal kommen alle möglichen Männer, und jeder hat seine Vergangenheit.«
»Ich weiß nur, dass er dunkelhaarig und zierlich gebaut ist«, murmelte Ella. »Mehr nicht, fürchte ich. Ach, ja, und er stammt aus Schottland wie ich.«
Mrs Jardine wedelte mit ihrer pummeligen Hand. »Keine Sorge, ich denke an ihn, wenn wir einen neuen Gast haben, und erkläre es auch Naughton. Naughton mag geheimnisvolle Geschichten.« Wieder ertönte das spöttische Lachen, das Ella nicht ergründen konnte.
»Das ist sehr nett von Ihnen.«
»Sicher«, stimmte Mrs Jardine zu. Sie lächelte Ella an, nickte und trippelte zurück zu ihrem Kaffeehaus.
Offenbar war Ella wieder eingeschlafen, denn als sie erwachte war es Abend und die Sittiche kreischten in den Bäumen. Der Sonnenuntergang erstrahlte in prachtvollem Rosa und Violett, und dicke weiße Wolken huschten über einen hellblauen Himmel. Es roch nach brennendem Eukalyptusholz und Essensdüften. Die Geräusche von den Nachtvorbereitungen auf den Goldfeldern hallten durch das Lager. Auf der anderen Straßenseite konnte Ella sehen, wie sich die Schürfer, begierig nach einer Tasse »Kaffee«, vor Jardines Kaffeehaus versammelten.
Ihr fiel ein, dass heute Samstag war. Der morgige Sonntag war Ruhetag, und ein Goldgräber, der trotzdem arbeitete, riskierte eine Geldstrafe. Deshalb galt der Samstagabend als Höhepunkt einer anstrengenden Woche, den man nutzte, um entweder zu feiern oder sich selbst zu bemitleiden.
Als Kitty den Kopf ins Zelt steckte, setzte Ella sich auf und strich sich das Haar aus dem Gesicht. Plötzlich dachte sie, dass sie sicher zum Fürchten aussah. Fast wünschte sie, sie wäre wieder bei Nancy Ure, wenn auch nur wegen des Betts und der Badewanne.
»Hunger?«, fragte Kitty.
Ella, die Hammelfleisch und Brot vor Augen hatte, zögerte.
»Adam hat Eier und Schinken gekauft«, fügte Kitty widerstrebend hinzu. Vielleicht hatte sie gehofft, dass Ella ablehnen würde, damit sie ihre Portion bekam.
»Eier mit Schinken?«, flüsterte Ella.
Kitty grinste schief. »Ich habe geahnt, dass Sie das aufwecken würde. Möchten Sie etwas?«
»Ja, bitte.«
Ella kroch aus dem Zelt und streckte ihre verkrampften Beine. »Wo ist Adam?«, erkundigte sie sich und blickte sich um, denn Kitty schien allein am Feuer zu sein.
»Weggegangen. Er versucht, einen Ochsentreiber zu finden, der kein Vermögen dafür verlangt, seine Waren aus Melbourne zu holen.«
»Wann kommt er zurück?«
Kitty zuckte die Achseln. »Wenn er erreicht hat, was er wollte. So ist Adam eben. Er weiß, was er will, und dann holt er es sich.« Ihr Tonfall war ruhig und stolz, als wären sie bereits ein Paar. Plötzlich sah sie Ella an, deren Gesicht im Schatten verborgen war. »Mir ist klar, dass er Sie liebt … oder dass er es zumindest glaubt. Aber Sie sind nicht die richtige Frau für ihn und wollen ihn eigentlich nicht wirklich. Sie haben irgendwo einen Mann und ein großes Haus. Mit Adam könnten Sie niemals glücklich werden. Ich schon, denn
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