Der Duft der roten Akazie
ihre. »Du sagst, du hättest Angst vor Lieutenant Moggs«, murmelte er. »Du solltest dich besser vor mir fürchten.«
»Adam!«, rief Kitty vom Fuße des Hügels. Sie schien verärgert, auch wenn sie versuchte, es zu verbergen. Offenbar fand sie, dass Adam genug Zeit bei der Kranken verbracht hatte.
Adam stieß einen leisen Fluch aus.
»Am besten gehst du.« Ella wusste nicht, ob sie die Störung bedauerte oder als erleichternd empfand.
»Adam!« Nun war Kitty die Gereiztheit deutlich anzuhören.
Adam verzog reumütig das Gesicht und stand auf. Am Zelteingang hielt er noch einmal inne und sah sich um. »Kitty sagte, ich sollte ein Stück Stoff für dich aufheben. Was hast du damit vor?«
»Ich wollte mir ein neues Kleid nähen.« Sie breitete ihren Rock aus, damit er ihn sich anschauen konnte. Kitty war zwar mit Wäschewaschen beschäftigt, seit sie im Midnight Gully ihr Lager aufgeschlagen hatten, doch auch ihre Fähigkeiten hatten Grenzen.
Sein Lächeln verwandelte sich in eine unwillige Grimasse, als Kitty das dritte Mal nach ihm rief. »Du siehst schon viel besser aus«, stellte er fest. »Offenbar hast du neun Leben, Cinderella.«
Nachdem er fort war, legte Ella sich wieder hin. Vielleicht nicht neun Leben, dachte sie zufrieden, allerdings eindeutig zwei. Sie war erst an der Lagune und dann hier in Bendigo dem Tod entronnen. Das musste etwas zu bedeuten haben. Trotz des Dämmerlichts im Zelt schloss sie die Augen. Sie hatte noch den Geschmack von Adams Küssen auf den Lippen und schlang die Arme um den Leib, als wolle sie das Gefühl bewahren, von ihm festgehalten zu werden.
»Du solltest dich besser vor mir fürchten«, hatte er gemeint. Und sie hatte wirklich Angst. Nicht davor, dass er ihr wehtun würde. Adam würde ihr gegenüber niemals gewalttätig werden. Doch wenn er sie in die Arme nahm und sie küsste, schwanden ihre Kräfte. Etwas in ihr streckte sich ihm entgegen und fand seine Entsprechung, das sie gleichzeitig stärker machte und schwächte. Er lenkte sie von ihrem Ziel ab, das Geheimnis zu lüften, das sich um ihre Vergangenheit rankte. Sie wollte sich dagegen sträuben –und gleichzeitig nachgeben.
Mrs Jardine gehörte genau zu dem Typ von Menschen, den Ella auf den Goldfeldern anzutreffen erwartet hatte. Sie war eine beleibte Frau mittleren Alters mit langem, strähnigem schwarzem Haar. Ella sah sie zum ersten Mal, als sie in ihrem Zelt lag und aus halb geschlossenen Augen das Treiben im Midnight Gully betrachtete. Mrs Jardine stand im Eingang ihres Kaffeehauses, den sie vollständig ausfüllte. Ella beobachtete, wie sie ihren Rock lüpfte, sodass die zierlichen Füße in schwarzen Stiefeln zum Vorschein kamen, und über den unebenen Boden in Richtung Laden trippelte.
Mrs Jardine steuerte geradewegs auf Adam zu, doch Kitty, die das vorausgeahnt hatte, stellte sich ihr lässig in den Weg. Ella schmunzelte. Das Mädchen erinnerte sie an einen kleinen Terrier, der eifersüchtig sein Herrchen bewachte.
Allerdings schien das Mrs Jardine nicht zu stören. Nachdem sie ein wenig geplaudert und laut gelacht hatte, stieg sie den Hügel hinauf zu Ellas Zelt. Langsam näherte sie sich und spähte schnaufend durch die Öffnung. Ihre Augen waren klein und schwarz wie Rosinen.
»Ach, Sie sind wach«, verkündete sie strahlend. »Sie glaubten, dass Sie schlafen, aber ich dachte, ich schaue trotzdem nach Ihnen. Wie geht es Ihnen, Kindchen? Sie sind immer noch ein bisschen blass um die Nase. Es hat Sie ziemlich schlimm erwischt, was?« Kopfschüttelnd schnalzte sie mit der Zunge.
Aus der Nähe wirkte Mrs Jardines Mondgesicht so bleich und teigig wie ein ungebackener Laib Brot, doch ihr Lächeln schien echt zu sein. Ella stellte fest, dass ihr die Wirtin des berüchtigten Kaffeehauses von Midnight Gully gefiel.
»Ich habe ein gutes Tröpfchen da«, fuhr die Frau mit einem vielsagenden Zwinkern fort. »Ich bringe es Ihnen später vorbei. Davon bekommen Sie wieder rosige Wangen, mein Kind.«
Ella bedankte sich und erkundigte sich höflich, wie lange Mrs Jardine schon im Midnight Gully lebte.
Die schwarzen Knopfaugen wurden zugekniffen, während Mrs Jardine angestrengt nachrechnete. »Es müssen jetzt zwei Monate sein. Wir sind angekommen, als das Lager gerade wieder vom Bullock Creek zurück nach Bendigo verlegt wurde. Sie waren wegen der Trockenheit umgezogen. In ganz Bendigo war kein Tropfen Wasser mehr zu kriegen.« Sie lachte kehlig. »Man möchte es nun, wo es nicht mehr aufhört zu regnen,
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