Der Duft Der Wüstenrose
romantischen Briefe vorzulesen.
Jetzt verstand sie endlich, warum er so wütend geworden war. Doch dass er seine Ehefrau vergewaltigt hatte, anstatt ihr die Wahrheit über Johns Briefe zu verraten, war unfassbar. Fannys Kehle war wie zugeschnürt. All diese Lügen. Wie sollte es mit ihnen weitergehen, jetzt, wo sie ein gemeinsames Kind haben würden?
Sie verschränkte die Hände auf ihrem Bauch und betrachtete Maria, die verdattert aussah. Obwohl sie sie belogen und in ihren Sachen herumgewühlt hatte, war Fanny ihr zutiefst dankbar. Allerdings wusste sie auch, dass sie es bereuen würde, Maria die Wahrheit zu erzählen. Damit würde sie sich ihr ausliefern, und das war das Letzte, was sie wollte. Schließlich hatte Maria ihr soeben eindrucksvoll bewiesen, dass sie keinerlei Skrupel hätte, sie zu erpressen oder zu verraten.
Ein heimtückischer Gedanke kam ihr in den Sinn. Wenn sie Maria nichts verriet, dann würde die vielleicht zu Ludwig gehen und ihm von ihrem Verdacht wegen der Briefe erzählen, natürlich in der Hoffnung, dass er sie für diese Information reich belohnen würde. Doch er würde Maria dafür hassen, dass sie ihn mit seiner Lüge konfrontierte; ironischerweise würde er Maria selbst dann hassen, wenn ihre Verdächtigungen wahr wären, da war Fanny sicher. Maria aber hatte Ludwig so dermaßen idealisiert, dass sie sich der Tragweite ihrer Handlung nicht bewusst sein konnte. Er würde sie zum Dank für ihre Informationen aus dem Haus werfen.
»Ich kann es dir nicht erklären, es tut mir wirklich leid«, sagte Fanny nach langem Schweigen.
»Du willst es mir nicht verraten. Ich dachte, wir wären Freundinnen? Hast du denn keine Angst, dass ich damit zu Ludwig gehe?«
»Tu’s ruhig.« Fanny sah direkt in Marias dunkelblaue Augen. »Ludwig wird dir dankbar sein«, sagte sie und setzte noch eine weitere Lüge drauf. »Ich werde ihm jedenfalls erzählen, was hier heute los war. Alles.« Fanny strich sich demonstrativ über ihren Bauch und sah Maria herausfordernd an.
»Wie du willst.« Das klang wie eine Kriegserklärung. Maria nahm die Briefe und verschwand im Haus.
Gut, dachte Fanny, endlich herrscht Klarheit zwischen uns. Endlich habe ich wieder Luft zum Atmen.
21
V ier Wochen später, Anfang Dezember, befand sich Maria auf dem Schiff nach Deutschland. Sie hatte keine Sekunde gezögert und Ludwig sofort nach seiner Heimkehr über die Briefe von Fannys vermeintlichem Liebhaber aufgeklärt.
Er hatte so laut herumgebrüllt, dass man es auf der ganzen Farm hören konnte. Er hatte Maria der Schnüffelei bezichtigt und ihr versichert, dass er so jemanden in seinem Haus nicht dulden könne. Er beschimpfte sie, weil sie sein Vertrauen missbraucht hätte, und sorgte dafür, dass sie schon drei Tage später unterwegs nach Swakopmund war, wo sie mit dem nächsten Woermann-Schiff nach Hamburg fahren sollte.
Fanny war froh, als Maria und ihre Kinder abreisten, immer wieder sagte sie sich, dass so jede das bekommen hatte, was sie wollte. Maria die Heimat und Fanny ihre Freiheit.
Aber sie schämte sich trotzdem, weil sie es hinterhältig herbeigeführt hatte. Noch dazu war Ludwig nun besonders aufmerksam. Er versuchte herauszufinden, ob Maria mit ihr über die Briefe gesprochen hatte, aber Fanny tat so, als wüsste sie nicht, worauf er hinauswollte, und ließ ihn im Glauben, dass sie keine Ahnung hatte, dass ihr Mann die romantischen Briefe an seine Verlobte seinen Verwalter hatte schreiben lassen. Zudem nutzte sie sein schlechtes Gewissen aus, um ihn dazu zu überreden, Kajumba bleiben zu lassen. Zu gern hätte sie den Brief von John an Ludwig gelesen, aber Ludwig hatte ihn während des Gesprächs mit Maria demonstrativ verbrannt.
Nach Marias Abreise hatte Fanny zunächst stundenlang auf der Veranda gesessen, die Stille genossen und in die weite Ebene gestarrt, die in der blauen Hitze vor ihr zu einem zittrigen Bild schmolz.
Wenn Ludwig mit Pierre draußen auf den Weiden war, dann war es geradezu geisterhaft still. Man hörte nur das Sirren der Mücken, das sich mit dem Rauschen des leichten Windes vermischte.
Nach über einer Woche gestand sich Fanny ein, dass sie die Unterrichtsstunden mit den Jungs vermisste, und sie beschloss, Kajumba zusammen mit den Kindern der Dienst boten zu unterrichten. Allerdings tat sie das hinter Ludwigs Rücken, denn ihr Mann machte sich ständig Sorgen um ihren Zustand und hätte außerdem nie erlaubt, dass sie den »Kaffernbälgern« Lesen und Rechnen
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