Der Duft Der Wüstenrose
durch ihren Kopf, nie im Leben wäre sie auf die Idee gekommen, dass Marias Mann sie verlassen hatte. Und noch weniger hätte sie vermutet, dass Ludwig darüber Stillschweigen bewahren würde.
»Wo sollte ich denn hin mit den Jungs, wovon sollen wir leben? Wilhelm hat alles Geld mitgenommen und heimlich unser Haus verkauft. Ich war zum Gespött von ganz Windhuk geworden und wusste mir keinen Rat mehr. Deshalb habe ich mich dann an deinen Ludwig gewandt. Er ist ein solcher Ehrenmann.«
Fanny dachte an den Tag ihrer Ankunft in Swakopmund, an dem sie so große Angst vor Maria gehabt hatte. Sie dachte an die zerstörte Mission und fragte sich, wo sie heute wäre, wenn sie nicht Ludwigs Frau geworden wäre.
»Beruhige dich erst mal«, sagte sie zu Maria.
Diese seufzte und schnaubte noch einmal fest in ihr nasses Taschentuch. »Ich wollte nie in dieses Land, aber Wilhelm wollte, und so bin ich hierhergekommen, einzig und allein aus Liebe zu ihm.« Maria jaulte laut auf und schluchzte dann wieder mit ihrem ganzen Körper. Fanny brachte es trotzdem nicht über sich, ihr die Hand auf den Rücken zu legen oder sie in den Arm zu nehmen. Sie war wie versteinert von der Erkenntnis, dass Ludwig wichtige Dinge genauso gut vor ihr geheim halten konnte wie sie vor ihm.
»Ich gebe zu«, erzählte Maria weiter, »als meine Mutter gestorben ist, war ich beinahe glücklich, denn ich durfte für drei Monate nach Hause fahren, um mich um meinen Vater zu kümmern. Wie hätte ich ahnen sollen, dass Wilhelm sein Ding nicht einmal lächerliche zwölf Wochen in der Hose behalten konnte.«
»Dann möchtest du also nach Hause?«, fragte Fanny voller Hoffnung.
»Ja, natürlich. Und ich werde ganz sicher nach Hause fahren. Ludwig hat versprochen, dass er uns nach der Geburt seines Sohnes das Geld für die Heimfahrt geben wird.« Je mehr Maria redete, desto besser schien es ihr zu gehen. Mittlerweile sah sie schon richtig hoffnungsfroh aus. »So lange soll ich auf dich aufpassen und mich um dich kümmern, dafür sorgen, dass du nicht auf so dumme Gedanken kommst wie vor ein paar Monaten.«
Maria merkte, dass sie etwas Falsches gesagt hatte, als sie in Fannys fassungsloses Gesicht blickte. Sie beeilte sich zu versichern, dass es doch nur zu ihrem Besten gewesen sei, nur damit sie bei der Geburt nicht alleine wäre und nur damit sie sich schon mal mit der Erziehung von Knaben befassen konnte und nur damit Maria ihr alles Wichtige …
Fanny hörte ihr nicht mehr zu. Sie stand so ungestüm auf, dass der Stuhl beinahe nach hinten gekippt wäre, und lief trotz der Hitze auf der Veranda auf und ab, mit einer Hand hielt sie dabei ihren Bauch fest. Maria lief hinter ihr her.
»Bitte, ich habe doch nur versucht, alles richtig zu machen. Ludwig wollte nicht, dass du von unserer Abmachung erfährst – und ich musste an meine Jungs denken, das würdest du auch tun, glaub mir.«
Maria stellte sich so dicht vor sie, dass sie ihr nicht ausweichen konnte und stehen bleiben musste.
»Du widerst mich an«, sagte Fanny fast tonlos. »Deshalb warst du so verändert, so freundlich. Im Grunde bist du immer noch die Maria, die über andere herrschen will. Das hast du ja heute wieder deutlich bewiesen. Und Albert ist jetzt schon genauso. Ich muss allein sein. Nachdenken. Lass mich!« Fanny fuhr damit fort, auf der Veranda auf und ab zu gehen und so ihrer Erregung Herr zu werden.
»Hätte ich lieber ins Bordell gehen sollen, oder wie stellst du dir das vor? Was gibt es denn für eine weiße Frau wie mich für Möglichkeiten? Wen sollte ich unterrichten? Wer braucht eine Köchin oder eine Haushälterin, wenn er zwar unfähige, aber dafür sehr billige Schwarze haben kann?« Maria stampfte mit ihrem Fuß auf, und ihre Stimme überschlug sich fast. »Sag mir also nicht, was ich tun soll. Vor allem du nicht! Du hast kein Recht dazu! Und du wirst Ludwig von alldem kein Wort sagen.«
Sie standen sich gegenüber wie zwei Gladiatorinnen, jede die Hände zu Fäusten geballt.
»Was ich mit meinem Mann bespreche, geht dich gar nichts an. Selbstverständlich werde ich ihm berichten, was sich heute hier abgespielt hat!«
»Dann lässt du mir keine andere Wahl.« Marias Stimme klang bedauernd, aber ihre Augen blitzten triumphierend. »Ich habe nicht gedacht, dass ich zu diesem Mittel greifen müsste, aber du willst es ja nicht anders.«
»Was denn für ein Mittel?« Fanny wurde kalt, das war ihr Ende. Maria wusste, dass sie nicht Charlotte war. Maria hatte sich an die
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