Der Duft Der Wüstenrose
an ihn pressen, mit ihm verschmelzen, doch Tritte in ihrem Bauch brachten sie wieder zur Besinnung.
»Nein, nein, das geht nicht!«
John hörte sofort auf und ließ sie los. »Gut. Du triffst die se Entscheidung. Ich werde dich nicht noch einmal fragen.«
Fanny wusste, dass sie ihn verletzt hatte.
»John, ich möchte, dass du mich verstehst, möchte es dir erklären.«
»Du musst mir nichts erklären. Was zählt, sind niemals nur die Worte, sondern die Taten. Das lernst du, wenn du in Afrika aufwächst.«
»Und doch waren es deine Worte, nur deine Worte, die mich zu Ludwig geführt haben. Ohne die Briefe, die du für ihn geschrieben hast, wäre ich nicht hier.«
Johns Hände strichen sanft über Fannys Haare, glitten in ihren Nacken, umfassten ihn liebevoll und ließen Fanny erschauern.
»Das hätte ich niemals tun dürfen, aber ich habe es geliebt, diese Briefe zu schreiben, und mir immer wieder gesagt, dass Worte ja nur der Anfang sind.«
»Das war ein Fehler«, seufzte Fanny. »Deine Worte waren die Tür zu meinem Herzen, zu dem von Charlotte … deine Worte haben die Brücke über einen Kontinent hinweg geschlagen.« Sie schluckte. »Worte sind so viel mächtiger, als du es dir jemals vorstellen kannst.«
»Vergiss meine Worte, lass uns neu anfangen, in einer anderen Sprache, der unserer Herzen.« John küsste ihren Hals, dann ihre Hände.
Fanny verbot es sich, darüber auch nur eine Sekunde nachzudenken, sie wollte es besser machen als ihre Mutter. Ein Neuanfang mit John … Nein, unmöglich.
Es war zu spät.
»O John«, flüsterte sie.
»Schsch …« Er legte einen Finger zart auf ihre Lippen. »Es ist gut, was auch immer du entscheidest, es ist gut.« Er räusperte sich, beugte sich zu ihrem Nabel und redete zu ihrem Bauch gewandt. »Die alten Zulu sagen: Ehre dein Kind, und es wird dich ehren.«
Fanny sank wieder in den Stuhl, ihr war plötzlich kalt, und sie zweifelte an ihrem Verstand. War es wirklich richtig, John gehen zu lassen?
»Ich weiß nicht, ob wir uns jemals wiedersehen werden, denn ich möchte dir nicht wehtun, aber für den Fall, dass du noch einmal mit meiner Mutter sprechen möchtest, finde die Wüstenrose.«
Fanny war irritiert von dem plötzlichen Themenwechsel.
»Deine Mutter glaubt, dass ich etwas mit einem Mord zu tun habe und von Geistern bewohnt bin.«
»Sie ist inzwischen sicher, dass nicht du, sondern deine Perlen verflucht sind. Sie bietet dir an, dich von diesen verfluchten Perlen zu befreien, du kannst sie auch mir geben, wenn du willst. Doch jetzt muss ich gehen. Schau, dort ist schon der Indonsakusa , der Stern, der die Dämmerung herbeizieht, und dort drüben fängt der Ikhwezi an zu blinken.«
Jupiter und Venus, dachte Fanny, Jupiter und Venus. Völ lig verwirrt betastete sie ihr Armband. Unmöglich, das würde sie niemals weggeben, es war alles, was sie mit ihrer Vergangenheit verband. So wie sie ihr Kind niemals weggeben würde, ihr Kind, das sie mit der Zukunft verband.
»Sag deiner Mutter, dass ich ihr sehr dankbar bin. Doch für mich wäre es so, als ob ich mich von meinem linken Fuß trennen müsste. Ach, John …« Fanny seufzte, wusste nicht, wie sie dem Chaos in ihrem Kopf Herr werden sollte. Er sollte gehen, er sollte bleiben.
»Zeit für mich, zu gehen.« John zuckte mit den Schultern. »Ich habe gehofft, zusammen wären wir mutig genug, um Ludwig zu trotzen, aber was weiß ich schon von dem Herzen einer Mutter. Verzeih mir also.« Er ging davon, aufrecht und stolz.
»John!«, rief sie, er drehte sich noch einmal um, winkte ihr zu und schritt dann zügig weiter aus.
»Das Herz einer Mutter«, flüsterte sie, »ja, das Herz einer Mutter muss größer sein als das einer Liebenden. Aber meines muss erst noch wachsen, denn es schmerzt … es schmerzt so sehr.« Fanny kam es vor, als würde dieses Kind in ihrem Bauch immer größer und mächtiger, als könnte es ihr Herz erdrücken. Sie atmete schwer und versuchte sich zu beruhigen. Sie hatte das Richtige getan.
Sie sah ihm nach, bis seine Silhouette mit dem Horizont verschwamm und der Nachthimmel über ihm zu trostlosem Grau verblasst war.
Einige Stunden später fand Ludwig sie immer noch dort sitzend und weckte sie. Schlaftrunken betrachtete Fanny ihren Mann, und ohne es zu wollen, verglich sie diesen Mund, dessen schmale Oberlippe von dem blonden Bart vollkommen verdeckt wurde, mit den Lippen, die sie heute Nacht auf ihrem Mund gefühlt hatte. Unwillkürlich bedeckte sie ihre Lippen mit der
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