Der Duft Der Wüstenrose
Perlen gekommen war und dass Walburga sie nicht in geweihter Erde begraben hatte, wie sie es besprochen hatten, sondern verkaufte. Und nun strömten von überall her die Leute nach Grainet, um hinter das Geheimnis dieser Perlen zu kommen. Dann schluchzte sie eine lange Zeit, bevor sie weitersprechen konnte. Der junge Priester klopfte mehrfach an das Fenster und ermahnte sie, sich angesichts der Anwesenheit Gottes ein wenig zu fassen.
Josefa schnäuzte sich und versuchte, ihren gebeugten Rücken gerade aufzurichten. Dann berichtete sie, jetzt nur noch flüsternd und ständig stockend, dass Walburga seitdem jedes Jahr ein wunderschönes Mädchen geboren und dann wieder begraben hatte. Auch Josefa waren schon zwei Kinder gestorben. Aber nun war ihre Rosina geboren worden, und die wollte sie um jeden Preis retten.
Fanny konnte den jungen Priester sehen, der hilflos in seiner Bibel herumblätterte und ein ums andere Mal seinen Rosenkranz küsste. Ganz offensichtlich hatte ihn sein Amt nicht auf derart mörderische Beichten vorbereitet. Schließlich fasste er einen Entschluss.
»Nun, meine Tochter, Ihr müsst zum einen all dieser Perlen habhaft werden, sie ausnahmslos zu Rosenkränzen verarbeiten lassen und der heiligen Kirche übereignen. Wenn es dem gütigen Gott, unserem gerechten Herrn gefallen hat, aus diesem Unrecht etwas so Schönes entstehen zu lassen, so gebührt dies zuallererst und einzig unserer heiligen Kirche. Macht eine Wallfahrt zu den Franziskanerinnen von Kloster Reutberg, wo das heilige Reutberger Christkind eure Tochter sicher vor allem Übel behüten wird, und vermacht ihnen diese Perlen. Betet vorher dreihundertfünfundsechzig Ave-Marias. In den kommenden sieben Nächten kommt Ihr in unsere Kirche und betet die ganze Nacht zu unserem Herrn um Vergebung für Eure Taten. Dann werden wir sehen, ob es gelingt, den teuflischen Fluch von Euch zu nehmen.«
Josefa betete die Ave-Marias mit einer Inbrunst, die Fan ny niemals hatte aufbringen können. Fanny wünschte ihr, dass Rosina überleben möge. Sie hatte so mit Josefa mitgelitten, dass ihr erst in diesem Moment klar wurde, was sie da gerade gehört hatte: Kloster Reutberg – ihr Kloster!
Ein Windstoß drang in den Beichtstuhl, öffnete klappernd die Türen, erfasste Fanny und hob sie hoch. Unwillkürlich breitete sie ihre Arme aus und segelte durch die Luft wie ein Adler, wie schon so oft zuvor in ihren Träumen. Erst ganz gemächlich, dann immer schneller, bis sie zu trudeln begann und abstürzte.
Als sie wieder zu sich kam, war sie bei den Vorbereitungen zu einer Hochzeit. Sie brauchte ein paar Minuten, um sich zu orientieren, dann erst erkannte sie, was sie sah.
Es war Josefa, deren gebeugte Haltung zu einem Buckel geworden war. Mit knotigen, zitternden Händen kämmte sie ihrer Tochter Rosina mühsam das Haar für die Hochzeit und flocht es dann zu einem Bauernzopf. Obwohl ihr das sichtlich schwerfiel, lächelte sie über das ganze Gesicht.
Rosina war mager und blond, und ihre Augen schimmer ten brombeerfarben wie die von Josefas Schwester. Sie trug eine Festtracht mit schwarzem Mieder und weißer Lochstickereibluse, einen dunklen Rock mit hellgrüner Schürze und um den Hals ein prächtiges silbernes Kropfband.
Josefa versuchte, während des Flechtens immer wieder mit ihrer Tochter zu sprechen, aber jedes Mal, wenn sie angesetzt hatte, wurde sie unterbrochen. Als der Bräutigam hereinkam, der wie eine schlankere und jüngere Ausgabe des toten Kollers aussah, ahnte Fanny, worüber Josefa mit ihrer Tochter reden wollte.
Das musste Clemens sein, der Sohn des Ermordeten. Fanny spürte, wie ihre Kehle eng wurde, doch gleichzeitig fühlte sie auch, dass Josefa diese Hochzeit wie eine gerechte Strafe ansah, als Möglichkeit, an Clemens etwas wiedergutzumachen.
Nach der Trauung gab es ein großes Fest auf einem Platz oberhalb des Bachs, an dem die Glashütte stand. Die Dorfbewohner feierten an langen Buchentischen, die mit Girlanden aus jungem Birkenlaub geschmückt waren. Auf der einen Seite der Tische stand ein Fass Bier, auf der Flussseite wurden zwei Spanferkel im Feuer gedreht. Das ausgelassene Gelächter und das genussvolle Schmatzen der Gäste wurden nur noch von den beiden Musikanten, einem Flötenspieler und einem Fiedler, übertönt.
Als die Spanferkel knusprig waren, machte sich Josefa langsam und unter Schmerzen daran, das Fleisch abzusäbeln, wodurch ihr Walburgas Auftauchen entging. Die war tiefschwarz gekleidet und von einem
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