Der Duft Der Wüstenrose
sie erst in einem anderen Land wieder ausspuckte.
30
A uch hier war es heiß, aber nicht von der Hitze des Glasofens. Das ganze Land war ein Ofen, obwohl die Sonne schon dabei war, unterzugehen.
Es roch nach Staub, und der stetige leise Wind verriet Fanny, dass sie in Deutsch-Südwest war. Jedoch sah es hier völlig anders aus als im Süden des Landes, wo sie mit Ludwig gelebt hatte. Sanfte Hügel und Täler mit grünen Bäumen und Büschen wechselten sich ab, alles erschien ihr lieblicher, und es gab Wasser. Etwa fünfzig Meter entfernt von dem roten Felsen, auf dem sie sich befand, tummelten sich Tiere um ein Wasserloch. Gnus, Zebras, Orynxe und Paviane stritten sich um die besten Plätze, und zwischen ihnen flatterten unzählige bunte Vögel, von denen Fanny die meisten noch nie gesehen hatte.
Als sie sich etwas vorbeugte, sah sie schräg vor sich im Dämmerlicht zwei Menschen, die sich nebeneinander an den Armen festhielten. Der eine, schneeweiße Arm gehörte zu einer zarten Frau. Auf der Innenseite des Arms erkannte Fanny einen kleinen, halbmondförmigen Fleck. Der andere Arm war muskulös und schwarz.
Fanny klopfte das Herz bis zum Hals. Das waren ihre Eltern, sie war nicht nur wegen des Mals so sicher, nein, sie wusste es, weil sie wie bei Josefa Zuschauerin und gleichzeitig eins mit dieser Frau war.
Fanny rutschte an den Rand des Felsens und lehnte ihren Rücken an einen kahlen Baumstamm, um sie besser beobachten zu können. Neugierig betrachtete sie die beiden. Ihre Mutter war trotz der Hitze in ein eng tailliertes helles Oberteil mit langen Ärmeln eingeschnürt, und ihr Rock fiel in mehreren Volants um die Knöchel. Daneben wirkte der breitschultrige schwarze Mann mit aufgekrempeltem Hemd und Hosen fast wie ein Landstreicher.
»Luise«, flüsterte der Mann, und seine Stimme klang sanft und voll, »ich muss zurück, ich kann kein Christ werden. Mein Volk braucht mich. Wir müssen uns gegen die Nama wehren, sie stehlen uns Land und Rinder. Erst gestern wurde mein Vater überfallen. Er ist alt geworden.«
»Ich komme mit dir, wohin immer du willst.« Als Fanny die junge, helle Stimme ihrer Mutter hörte, wurde ihr klar, dass Luise höchstens sechzehn Jahre alt gewesen sein konnte.
Der große Mann schüttelte den Kopf. Sein Haar war direkt am Schädel zu unzähligen winzigen Zöpfen geflochten, die bis zu den Schultern reichten und deren Enden mit Perlen geschmückt waren. Die Perlen klapperten leise, und er lächelte so breit, dass seine Zähne in der Dämmerung aufleuchteten.
»Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Alles, was ich bei deinem Vater in der Missionsschule gelernt habe, verrät mir, dass du nicht glücklich würdest bei uns. Ich bin froh, lesen und schreiben gelernt zu haben und nun die Verträge der Weißen durchschauen zu können. Aber ich will und kann nicht an einen Gott glauben, der seinen Sohn ans Kreuz nagelt, um uns von der Sünde zu befreien.« Er tätschelte Luises Hand, wie um sie zu trösten.
»Es ist mir egal, woran du glaubst, denn ich liebe dich.« Luise nahm seine Hand und legte sie an ihre Wange. »Und deshalb möchte ich noch so viel mehr über die Welt deiner Ahnen und den Omumborombonga lernen und verstehen.«
»Luise, das ist unmöglich.« Er entzog ihr die Hand und sprang auf. »So wie ich nicht verstehe, warum wir alle Sünder sein sollen, so wirst du niemals verstehen, was es bedeutet, mit einem Mukuru zu leben. Was auch immer die weißen Missionare sagen – egal, wie lange ein Baumstamm im Wasser liegt, er wird kein Krokodil werden.«
»Saherero, ich bin schwanger.« Luises Stimme war nur mehr ein Wispern. »Ich muss deine Frau werden.«
Fanny schnappte nach Luft. Luise war doch selbst noch ein Kind, viel zu jung, um schon Mutter zu werden.
Saherero hockte sich auf die Fersen wieder neben sie.
»Das ist unmöglich«, sagte Saherero, »und das weißt du auch.«
»Du hast gesagt, dass du mich liebst.«
»Das ist wahr.«
»Dann heirate mich. Was soll denn sonst aus mir und dem Kind werden?«
Fannys Herz zog sich zusammen, als sie das Flehen in der Stimme ihrer Mutter hörte.
»Eine Heirat mit dir würde meinen Clan der Lächerlichkeit preisgeben, und ich glaube nicht, dass meinen Ahnen das gefallen würde. Die Wespe hat ihre Kraft vom Nest!« Er zog sie an sich, ließ sich nach hinten fallen und drückte sie fest.
»Wir müssen nicht christlich heiraten.« Fanny konnte das unterdrückte Schluchzen ihrer Mutter hören und fragte sich, warum
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