Der Duft Der Wüstenrose
sonst?«, fragte Fanny, die nicht recht wusste, wie sie mit den Bekenntnissen des Richters umgehen sollte.
»Wundervoll. Aber sie hat es schwer in ihrem Leben gehabt, auch mit mir.«
»Wie meinen Sie das?«
Der würzige Duft seiner Pfeife kitzelte Fanny in der Nase. »Ich glaube nicht, dass ich mit einer so jungen Frau darüber reden sollte. Luise würde das nicht gutheißen.«
»Warum reden wir dann?«, rutschte es Fanny heraus.
Der Richter lachte. »Sie haben recht zu spotten. Warum reden wir? Vielleicht, weil wir einsam sind?«
Fanny spürte, wie sich ihre Kehle zusammenzog. Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen – es war ihre Hochzeitsnacht, und sie fühlte sich einsamer als jemals im Kloster.
Betroffen verabschiedete sie sich von dem Richter und ging nach oben in die stickige Kammer. Zurück zu ihrem Ehemann, der noch immer schlief und sich quer über dem Bett ausgebreitet hatte. Sie schob ihn ein wenig zur Seite, um sich neben ihn legen zu können. Dann lag sie lange wach im Dunkeln. Und diesmal half es ihr gar nichts, ihre Perlen zu berühren.
6
S eit drei Tagen waren sie jetzt auf dem Pad in Richtung Süden nach Keetmanshoop getreckt. Fanny freute sich, dass John, den sie in Windhuk nie zu Gesicht bekommen hatte, wieder mit ihnen reiste. Sie genoss alles, die unbarmherzige Sonne, den staubigen Wind, der in ihren Augen brannte, und sogar das Rattern und Schaukeln des Ochsenkarrens.
Sie hütete sich instinktiv davor, Ludwig von ihrer Be geisterung in Kenntnis zu setzen, denn sie spürte, dass er sie undamenhaft gefunden hätte. Ständig galoppierte er heran, um sich voller Besorgnis nach ihrem Befinden zu erkundigen. Als ob es ein Zeichen wahrer Weiblichkeit wäre, sich zu beklagen, oder als ob die echte deutsche Frau ein Praliné wäre, das in dieser Hitze dahinschmelzen müsste.
Ludwig ritt diesmal zusammen mit John neben dem Karren her, um das Gewicht des Karrens zu entlasten und die Reise so zu beschleunigen. Er hatte wieder auf zwölf Ochsenpaaren bestanden, die Hendrik ständig mit Schnalzlauten antrieb. Doch sie mussten die Mittagshitze meiden und konnten nur am frühen Morgen und dann erst wieder vom Nachmittag bis zum Einbruch der Dunkelheit trecken und kamen deshalb nicht schneller voran als damals auf dem Pad von Swakop nach Windhuk.
Jeden Abend wurde es schwieriger, Wasser für die Ochsen zu finden. Hendrik musste zusammen mit seinen Gehilfen an den Wasserlöchern sehr tief graben, und manchmal dauerte es über eine Stunde, bis endlich etwas Wasser zum Vorschein kam. Schlammige Brühe, kaum genug für alle Rinder. Das Trinkwasser für die Menschen hatte Lud wig längst streng rationiert. Wasser zum Waschen gab es kei nes. Es wäre auch reichlich sinnlos gewesen, dachte Fanny, denn der Wind überzog alles sofort wieder mit einer feinen Staubschicht. Immerhin hatte sie diesmal für die richtige Kleidung gesorgt. Sie trug Charlottes Reithosen und eine Bluse, deren enge Keulenärmelmanschetten sie kurzerhand bis über die Ellenbogen hochgekrempelt hatte, was Ludwig zu einem missbilligenden Kopfschütteln veranlasst hatte. Er hatte das halbmondförmige Muttermal an der Innenseite ihres rechten Unterarms betrachtet und leise gemurmelt, dass sich dieses Mal in der Sonne sicher vergrößern würde. Fanny hatte vor Wut kochend die Ärmel wieder heruntergestreift und dann wortlos das Geschenk des Richters, einen wagenradgroßen weißen Strohhut, fest auf ihren Kopf gebunden.
»Ich denke, meine Luise hätte es gutgeheißen«, hatte er dazu erklärt, »wenn ihr alter Hut endlich wieder einem nützlichen Zweck zugeführt wird.« Und tatsächlich passte er Fanny nicht nur, sondern kleidete sie ganz ausgezeichnet. Ihr Korsett hingegen hatte Fanny mit einem Lächeln tief unten in ihrer Truhe verstaut. Sie brauchte sich nicht mehr eng zu schnüren, um sich wie eine Frau zu fühlen.
Ludwig behandelte sie seit der Hochzeitsnacht wie ein besonders zerbrechliches Wesen, was für Fanny sehr ungewohnt war. Niemand außer Charlotte hatte sich je so um ihr Wohlergehen gekümmert. Aber Fanny hatte auch bemerkt, dass Ludwig sie des Öfteren kopfschüttelnd von der Seite betrachtete, und jedes Mal beschlich sie die Angst, er hätte durch irgendetwas in ihrem Verhalten Zweifel an ihrer Identität bekommen. Was sonst könnte es zu bedeuten haben? Sie vermutete, dass sie in der Hochzeitsnacht etwas falsch gemacht hatte, nur hatte sie keine Ahnung, was das sein könnte. Wenn sie doch nur jemand anderen als Maria
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