Der Duft Der Wüstenrose
ihre Aufgaben.
In seinen Briefen hatte Ludwig nie erwähnt, dass ihm viel mehr daran lag, ein Farmer zu werden, als ein guter Arzt zu sein. Und die große Farm bedeutete sehr viel Arbeit. Fanny zweifelte stark daran, dass Charlotte hier glücklich gewesen wäre. Vielleicht hatte John recht mit dem, was er damals über ihren Traum gesagt hatte, und Charlotte war in Fannys Leben aufgetaucht, um ihr den Weg hierher zu weisen. Eigentlich war es ein tröstlicher Gedanke, dass ihre Ahnen, die Fanny nichts als das Glasperlenarmband hinterlassen hatten, ihr Charlotte zu Hilfe geschickt haben könnten. Aber warum hatten diese Ahnen dann so viele Jahre zugeschaut, wie sie im Kloster misshandelt und ausgenutzt worden war?
Sicher war jedenfalls, dass sie viel besser für die Farmarbeit geeignet war als Charlotte. Fanny musste immer noch grinsen, wenn sie an die gezierte Beschreibung der Polony-Würste dachte, die Daphne abgeliefert hatte, im Glauben, dass eine Tochter aus gutem Hause keine Ahnung von so derbem Handwerk hätte. Dabei konnte Fanny Brüh-, Blut- und Leberwürste machen, Salami und Schinken. Und sie wusste, wie man mit Hühnern, Hasen, Ziegen und Schafen umging. Sie konnte sie melken, rupfen und häuten. Sie konn te die Schafe sogar scheren, aber das wollte sie Ludwig lieber nicht wissen lassen, denn spätestens dann müsste ihm klar sein, dass sie unmöglich Charlotte von Gehring sein konnte. In Gedanken redete Fanny ständig mit Charlotte, manchmal sogar laut, aber es schien niemandem aufzufallen.
Jeden Morgen, gleich nach dem Sonnenaufgang, besuchte sie die Hühner, die wegen des Geruchs und des Lärms in einem Stall untergebracht waren, der weit vom Haupthaus entfernt lag. Nachdem sie sich überzeugt hatte, dass alle Hühner gesund waren, und für Wasser und Futter gesorgt war, sammelte sie die Eier ein und ging hinüber zu einem kleinen Stall, in dem die Lämmer nachts einquartiert wurden. Hier waren sie geschützt vor Regen, Kälte und Raubtieren, und sie verzehrten nicht die gesamte Milch ihrer Mütter. Daneben war ein Stall für die Damaraschafe, mit denen Ludwig für seine Zucht experimentierte.
Die Rinder besuchte sie nur selten, da man über eine halbe Stunde marschieren musste, um dorthin zu gelangen. Die Ochsen und Kühe waren in großen Kraalen aus Dornenzweigen untergebracht und wurden von Hirtenjungen gehütet und auf die Weide getrieben.
Zum gesamten Farmhaushalt gehörten so viele Eingeborene, dass Fanny sie noch immer nicht auseinanderhalten konnte. Das ärgerte sie, denn sie wollte alle gern mit Namen ansprechen. Die meisten wohnten in Pontoks , halbrunden Hütten, die von den Herero aus Lehm und Ästen fest gebaut wurden. Die Nama bauten ähnliche Pontoks , die aber auseinandergenommen und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden konnten. Alle Hütten waren noch weiter vom Haus entfernt als die Kraale der Rinder. So weit, dass Fanny noch keine Gelegenheit gehabt hatte, sie zu besuchen. Sie fragte sich, ob John vielleicht doch dort wohnte und nicht in dem Anbau, wo sie ihn am Tag ihrer Ankunft gesehen hatte, denn sie bekam ihn nie zu Gesicht, obwohl sie sehr viel auf dem Gelände unterwegs war. Das war auch deshalb nötig, weil es schwierig war, genug Futter für alle Tiere aufzutreiben.
Die Rinder wurden von den Hirtenjungen zu den Weiden getrieben, aber die Hühner, Schafe und Ziegen gehörten zum Haushalt und mussten von ihr versorgt werden.
Weil es, anders als in Reutberg, kein Gras oder Heu gab, war es an Fanny zu lernen, welche Pflanzen die Tiere essen durften und welche nicht. Es gefiel ihr, sich von Zach darin unterweisen zu lassen. Wie Hendrik war Zach ein Nama und am Fuß der Namibwüste aufgewachsen, bevor er von Sklavenhändlern entführt worden war. Er kannte viele Pflanzen des Südens und wusste, ob sie giftig waren oder nicht. Zuerst hatte er abweisend auf ihre Fragen reagiert, aber Fanny hatte sich nicht entmutigen lassen, und nach ein paar Wochen wartete er schon mit Ästen oder Blättern auf sie und erklärte ihr, welche Pflanzen ein Leckerbissen für welche Tiere waren. Auf den ersten Blick sahen die meisten Blätter sehr ähnlich aus, weshalb Fanny am Anfang große Schwierigkeiten hatte, sie auseinanderzuhalten. Viele Sträucher und Büsche hatten blassgrüne, silbrige, teils behaarte oder ledrige Blättchen und Dornen. Nach und nach lernte Fanny, auch die Namen der Pflanzen zu bestimmen, doch es kam immer noch oft vor, dass sie sich irrte. Das Einzige, was sie sicher
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