Der Duft Der Wüstenrose
sagen konnte, war, ob es sich um eine giftige Pflanze handelte. Nach einiger Zeit konnte sie sogar unterscheiden, für wen die Pflanzen giftig waren. Sie musste die Pflanze dazu auf ihre Hand legen. Wenn sie für Mensch oder Rind gefährlich war, schnürte sich ihr Hals zusammen, wenn die Pflanze für Ziegen und Schafe giftig war, dann wurde ihr Mund plötzlich trocken, wenn beides zusammen eintrat, war die Pflanze für alle gefährlich, so wie das Speikraut, das die üble Brechkrankheit verursacht. Immer wieder versuchte Zach sie hereinzulegen, und es erstaunte ihn, dass sie sich in dieser Hinsicht niemals irrte. Sie bemerkte, wie sehr sie dadurch in seiner Achtung stieg, und sie freute sich über ihr intuitives Wissen, doch zu gern hätte sie gewusst, woher es kam. Am liebsten hätte sie mit John darüber gesprochen, ihn noch einmal zu den Ahnen und seiner Mutter befragt. Sie malte sich manchmal aus, wie es sich anfühlte, als Kind einer Zuluzauberin aufzuwachsen, und sie konnte sich keinen größeren Kontrast zu Seraphina und dem Kloster vorstellen.
Eines Morgens brachte Zach mit einem listigen Lächeln einen Haufen gleich aussehender Blätter und wollte von ihr wissen, um was es sich handelte. Auf den ersten Blick wirkten die Blätter, als wären sie von ein und demselben Baum. Sie waren dunkelgrün, lederartig, länglich und am Ende abgerundet, manche auch gestaucht, eierförmig und nicht besonders groß. Erst als Fanny sie in die Hand nahm, spürte sie, dass es verschiedene Blätter waren, und sortierte sie in zwei Haufen. »Beide Blätter sind für den Menschen unschädlich, aber diese hier können Schafe vergiften und in größeren Mengen auch töten.«
Zach war enttäuscht und erfreut zugleich. Die ungefähr lichen waren die Blätter vom Weißstamm, den die Engländer »shepherds tree« nannten, wie er ihr sofort eifrig erklärte, und die Herero omutendereti . Der Weißstamm sei ein unglaublich nützlicher Baum, dessen Blätter und Früchte Menschen und Tiere essen können. Die schädlichen Blätter gehörten jedoch zum Stinkbusch, der zwar zur gleichen Pflanzenfamilie zählte, dessen Blätter und Blüten bei Schafen aber zu Vergiftungen führten. Wie so oft, wenn eine Pflanze in Teilen giftig war, konnte auch der Stinkbusch oder xaubes , wie die Nama sagen, als Heilmittel verwendet werden. Zach erklärte ihr, sie würden die Blätter des xau bes kochen und gegen Ohrenschmerzen verwenden. Die Herero wiederum würden die Wurzel vom otjinautoni in ihre Milchkalebassen legen, damit sich die Sahne schneller absetzte.
Erst Monate später fand Fanny heraus, wie der Stinkbusch zu seinem Namen gekommen war. Als sie eines Morgens die Hühner fütterte, stieg ein ekelhafter Gestank nach Fäkalien in ihre Nase, und sie befürchtete, dass etwas mit dem neu gebauten Abort nicht in Ordnung sein könnte. Sie ging dem Geruch nach und fand schließlich einen großen Stinkbusch, der über und über mit kleinen, unscheinbaren Blüten bedeckt war, deren abstoßender Duft Tausende von Insekten anlockte.
Fanny interessierte sich sehr für die Heilwirkungen von Pflanzen und war enttäuscht, wenn Zach ihre Wissbegier nicht befriedigen konnte. So begann sie auch Martha und Grace nach Pflanzen zu fragen und schrieb auf, was sie ihr erzählten.
Ludwig betrachtete ihre Bemühungen mit großem Miss trauen, denn er glaubte nicht daran, dass diese Naturheilmittel irgendeinen wissenschaftlich nachweisbaren Erfolg hatten. Außerdem mochte er es nach wie vor nicht, wenn Fanny zu viel Zeit mit den Eingeborenen verbrachte.
Aber diese Sorge war völlig unnötig, denn sich um das Futter und die Pflanzen zu kümmern war ja nur eine von Fannys vielen Aufgaben. Sie fand es genauso wichtig, sich Ludwigs desolatem Haushalt zu widmen. So schön das Haus von außen auch wirkte, innen war es gänzlich verwahrlost. In den Schränken hausten Schaben, Motten und Schimmel. Außerdem war die gesamte Wäsche schon sehr lange nicht gewaschen worden. Seraphina wäre außer sich gewesen, dachte Fanny jeden Morgen, wenn sie sich dem nächsten Problem zuwandte. Zuerst hatte sie die Wäscheschränke ausgeräumt, ausgewischt und Mottenkugeln bestellt. All die Wäsche, die nicht gänzlich verschimmelt oder durch Stockflecken ruiniert war, hatte sie gewaschen. Und weil weder Martha noch Grace Ahnung davon hatten, wie man das Waschbrett benutzte oder eine ordentliche Lauge anlegte, musste sie es ihnen erst einmal zeigen. Die beiden fanden es lustig, wie sich
Weitere Kostenlose Bücher