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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Vorübergehen einen Blick auf die Garderobe, wo Kirchs Mantel und Mütze hingen, betraten dann das Wohnzimmer, sahen sich kurz um und setzten sich. Der Ältere von beiden, ein etwas beleibter Herr mit Stirnglatze und Schnurrbart, stellte sich und seinen jüngeren Kollegen vor. »Inspektor Schirdewahn und mein Assistent Becker. Wir ermitteln in einer Mordsache.« Dabei fiel sein Blick auf den Sessel schräg rechts, auf dem, flüchtig hingeworfen, ein mausgrauer Anzug und eine grellbunte Krawatte lagen. Becker, ein hoch aufgeschossener Blonder mit blasser Gesichtsfarbe und Brille, hatte sie auch gesehen, sie tauschten verständnisinnige Blicke aus.
    »Genauer gesagt, in mehreren Mordsachen«, fuhr Schirdewahn fort. »Wir glauben, dass wir einem Serienmörder auf der Spur sind.«
    Alexander strich sich wie gedankenlos über das Haar, über seiner Brust stand der Hausmantel offen. »Und wie kann ich Ihnen dabei behilflich sein?«
    Becker sah irritiert weg und fixierte eine schwarze, glänzende Säule, um die kunstvoll ein Silberdraht geschlungen war. Inspektor Schirdewahn räusperte sich. »Ich muss Sie fragen, wo Sie an den letzten drei Samstagen waren, Herr Professor. Und zwar in der Zeit zwischen 19.30 und 22.00 Uhr.«
    Alexander sah von einem zum anderen, als hätte er sich verhört. »Wie bitte? Soll das heißen, dass ich ein Verdächtiger bin? Wer ist denn überhaupt ermordet worden?«
    »Lesen Sie keine Zeitung, Herr Professor?«
    »Das Börsenblatt, die Computerwoche, die Frankfurter Allgemeine, den Spiegel und diverse Fachzeitschriften, habe ich Ihre Frage hinreichend beantwortet?«
    Becker machte den obersten Kragenknopf auf und sah seinen Vorgesetzten gespannt an. Inspektor Schirdewahn zupfte an seinem Bärtchen und ließ seine Augen im Zimmer umherschweifen. Er konnte jedoch nichts entdecken, was er glaubte, entdecken zu müssen. »Es sind drei junge Männer aus der homosexuellen Szene ermordet worden, alle waren nackt und alle wurden von hinten erstochen. Es handelte sich um sogenannte Stricher oder auch Callboys – wenn Ihnen das ein Begriff ist?«
    Alexanders schläfriger Blick verengte sich kurz zu einem Strich. Das Erste, was ihm dazu einfiel, war diese Eintagsfliege Erwin Köpke, aber sollte der nach seinem Erlebnis gewagt haben, ihm etwas anzuhängen? Nichts war unmöglich. Es erwies sich eben immer wieder als falsch, halbe Arbeit zu machen. Er erhob sich. »Entschuldigen Sie, aber um diese Zeit trinke ich immer einen kleinen Sherry. Darf ich Ihnen auch etwas anbieten?«
    »Danke, nicht im Dienst«, lächelten beide standhaft.
    Alexander ging hinüber zur Bar und schenkte sich ein Glas ein. »Ich weiß natürlich, was ein Stricher ist«, sagte er bedächtig, »aber ich verstehe nicht, was ich damit zu tun haben soll?«
    »Sind Sie homosexuell?«, platzte Becker heraus.
    Schirdewahn stieß ihn ärgerlich an. Alexander kam mit seinem Glas zurück, die Farbe des Getränks ließ nicht auf Sherry schließen. Er sah Becker an wie einen Schuljungen, der seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte. »Ich bin schwul, Herr Becker, und Sie sind ein unscheinbarer Brillenträger. Ich bin lieber schwul. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich mit Strichern Umgang habe.«
    »Herr Professor!« Becker war glühend rot geworden. »Bitte keine Beleidigungen.«
    »Ich habe Sie beleidigt? Aber es lag doch in Ihrer Absicht,
mich
zu beleidigen! Aus Ihrem Mund klingt homosexuell wie ein Schimpfwort.«
    »Hier will Sie niemand beleidigen«, beschwichtigte Schirdewahn. »Herr Beckers Frage war berechtigt, denn sie gehört zu unseren Ermittlungen.«
    »Ach ja? Weil Homosexuelle umgebracht wurden, muss auch ein Homosexueller der Mörder sein? Ist das Ihre Logik?«
    »Es ist logisch, ja, wenn auch nicht zwingend notwendig«, erwiderte Schirdewahn. »Selbstverständlich gibt es noch andere Indizien als Ihre – äh – ich meine, schwerwiegende Indizien, die auf Sie als den Täter hinweisen.«
    Alexander kippte sein Glas. »Auf die bin ich gespannt.« Er lehnte sich erwartungsvoll zurück, presste im letzten Moment die Knie zusammen und legte sorgfältig die Enden seines Hausmantels übereinander.
    »Sie sind beobachtet worden«, sagte Schirdewahn, und Becker nickte grimmig dazu. »Von vielen Zeugen.«
    »Bei der Tat?«, höhnte Alexander.
    »Nein, aber in unmittelbarer Nähe des Tatortes. Am Samstag, dem 6. Dezember, sprachen Sie drei junge Männer an, bevor Sie mit dem Opfer in seine Wohnung gingen. Alle drei sagten

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