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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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fragte sie.
    »Klar, ganz harmlos. Morgen ist der erste Mittwoch im Monat, da treffen wir uns immer bei Kai in seiner Wohnung. Er backt Kuchen, und alle bringen ihr Strickzeug mit.«
    Barbara lachte. »Und Neue werden herumgereicht zur Massenvergewaltigung, wie?«
    »Genauso ist es. Interesse?«
    »Wenn’s hübsche Jungs sind«, erwiderte Barbara lässig. »Tanzen wir?«

13
    Jan schloss sein Taxi ab und sah an der Hausfront empor zum dritten Stock. Manchmal stand seine Mutter um diese Zeit schon am Fenster und winkte. Aber die Gardine war zugezogen. Er freute sich auf den Kuchen, beim Kaffeetrinken amüsierten sie sich gern über die täglichen Erfahrungen eines Berliner Taxifahrers. Die drei Treppen nahm Jan im Dauerlauf und freute sich, dass er immer noch ohne zu schnaufen oben ankam.
Fitnessstudio!
, ging es ihm durch den Kopf.
Da wollte ich doch letzte Woche erst anrufen.
Er klingelte und streckte die Zunge raus. Die Schritte seiner Mutter waren auf dem Flur. Maria Matuschek öffnete. Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Immer noch der kleine Junge, Jan.«
    Jan gab seiner Mutter einen Kuss auf die Stirn und schnüffelte hörbar. »Mmh, ich rieche Apfelkuchen.« Er ging ins Wohnzimmer, ließ sich auf seinen Stammsitz fallen und griff sich eine Zeitung, die auf dem Tisch lag. »Gibt’s was Neues?«, fragte er zur Küche hin, während er flüchtig durchblätterte.
    Seine Mutter brachte den Kuchen, die Sahne und den Kaffee. Sie sah ihren Sohn nachdenklich an, wie er mit übergeschlagenen Beinen entspannt im Sessel saß und überlegte, wie sie ihm die Nachricht beibringen sollte. Während sie Sahne in ihren Kaffee tat und bedächtig rührte, sagte sie: »Ich könnte eine Kaffeemaschine gebrauchen.«
    Jan legte die Zeitung weg und zog den Apfelkuchen zu sich heran. »Klar, kaufe ich dir. Du musst es nur sagen, weißt du doch.« Seine Mutter gehörte zu den Frauen, die nie was brauchten, wenn sie gefragt wurden.
    Sie nickte. »Geht das Geschäft denn gut?«
    »Wie immer. Und wie läuft es bei Dir so? Immer noch die Schmerzen im Kniegelenk?«
    Maria hätte das heikle Thema mithilfe ihrer Kniebeschwerden und der Bandscheibe jetzt leicht hinausschieben können, aber was hätte das gebracht? Sie räusperte sich. »Kennst du einen Erwin Köpke?«
    »Den Erwin? Der ist letztens bei Wende-Paule aufgekreuzt. Wieso?«
    »Hat er was gesagt?«
    Jan überlegte. »Er war ein bisschen durcheinander, kann mich aber nicht mehr erinnern.«
    Maria zog die Kaffeetasse an die Lippen und hielt sich ein paar Sekunden an ihr fest. »Ich muss dir was erzählen, was Wichtiges.«
    Ihre Stimme war belegt. Jan horchte auf. »Ist was Schlimmes passiert? Haben sie dich entlassen?«
    »Nein.« Maria setzte die Tasse ab. Jan war ein gestandener Mann, robust, hielt was aus, auch psychisch, sonst hätte er seinen Job beim MfS nicht durchgestanden, aber was sie ihm jetzt sagen musste, konnte auch einen starken Mann umhauen. Plötzlich bekam sie schreckliche Angst. Vielleicht würde Jan ihr das nicht verzeihen, sie verlassen. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Sie kratzte sich an den Händen. »Jan …« Sie zögerte und konnte ihm nicht in die Augen sehen, »es ist viel schlimmer als das.«
    Jan erschrak und überlegte schnell, was noch schlimmer sein könnte. »Bist du krank?«, fragte er leise.
    »Ich bin nicht deine Mutter.« So, nun war es heraus.
    Jan hörte auf zu kauen. So ein Geständnis musste einfach sprachlos machen. Er versuchte, das irgendwo einzuordnen. Das ist unfassbar, sagte ihm sein Verstand. Das macht doch nichts, sein Gefühl. Ja, er war eher erleichtert, dass es sich weder um eine Entlassung noch um eine schlimme Krankheit handelte. Er sah seine Mutter an, die nicht seine Mutter war, sie war sehr blass, ihre Hände zitterten. Jan nahm ihre Hände. Maria sah ihm in die Augen. Sie erwartete eine Reaktion, einen Schwall Fragen, aber da kam nichts. Jan drückte nur ihre Hände, das war seine Antwort.
    »Das ist noch nicht alles.« Plötzlich liefen ihr Tränen herunter. Jan stand auf, setzte sich neben sie auf die Couch und nahm sie in den Arm. »Wein doch nicht. Du bist meine Mutter. Was du mir sagen wolltest, ist doch nur, dass du nicht meine biologische Mutter bist, nicht wahr?«
    Maria nickte und begann fürchterlich zu schluchzen. Das war die Erleichterung. Jan hielt sie, bis sie sich beruhigt hatte. »Du hast noch einen Bruder«, schniefte sie schließlich und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Einen

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